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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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soll dieser Unsinn? Ich habe schon genug Feinde in Bonn. Nach der Landung drücke ich mich schnell an den Kollegen der vorderen Reihen vorbei, die mich verärgert anstarren. Sie finden diese Sonderbehandlung noch unangebrachter als ich. Wenn jemand als Erster aussteigen sollte, dann sie.
    Ich haste die Treppe des Flugzeugs hinunter. Unten stürzen vier Polizeibeamte auf mich zu. Sie bilden einen Schutzring um mich und drängen mich in eines von zwei wartenden Polizeiautos. Mit Blaulicht geht es zur Polizeiwache. Dort eröffnet mir einer der Beamten: »Wir mussten Sie schützen. Man wollte Sie mit einer Bombe empfangen.« Ich bin sprachlos.
    Die Erklärung ist banal. Die Polizei hatte ein Telefonat des Mannes abgehört, der mir die leere russische Schmetterlingsbombe übergeben sollte. Offenbar hatte er dabei seinem Gesprächspartner erzählt, dass er mir »eine Bombe in die Hand drücken« wollte. Daraufhin hatte die Polizei Alarm ausgelöst.
    Obwohl ich genau erkläre, dass alles nur der Vorbereitung einer Bundestagsdebatte dient, muss ich eine lange Befragung über mich ergehen lassen. Irgendwann darf ich dann weiter und kann in einem Gasthof die Schmetterlingsbombe in Empfang nehmen. Durch das Fenster sehe ich zwei Polizeiwagen. Die Polizei will auf Nummer sicher gehen.
    Die Präsentation der Spielzeugbomben im Bundestag gab den Sowjets einen weiteren Grund, mich zu beschimpfen. Schon die bisherige Liste ihrer Attacken war lang. »Bandit im Bundestag«, »Parlamentarischer James Bond« nannten mich sowjetische Zeitungen. »Auspeitschen und erschießen lassen« wollte mich der Sprecher des Generalsekretärs der KPdSU, Leonid Samjatin, schon 1980. Und für den Vorsitzenden der SPD -Bundestagsfraktion, Herbert Wehner, wurde ich zum »Hodentöter«.
    Die sowjetische Kritik verstärkte sich, als ich nach sechs Jahren Krieg die Aktion »Gläsernes Afghanistan – Reporter für den Frieden« startete. Zusammen mit dem »Verein für Afghanistan-Förderung« wollte ich afghanische Widerstandskämpfer mit Videokameras und Fotoapparaten ausstatten und ausbilden lassen. Der Vietnamkrieg war durch die Medien entschieden worden. Der Afghanistankrieg aber fand hinter einer Mauer des Schweigens statt. Diese Mauer wollten wir einreißen. Der Macht der Roten Armee wollten wir die Macht der Bilder gegenüberstellen.
    In einem vierwöchigen Crashkurs wurden in der Eifel 20 afghanische Mudschaheddin ausgebildet und nach Afghanistan zurückgeschickt. Nach ein paar Monaten tauchten im Westen die ersten verwackelten Filme auf. Sie hatten einen langen Weg hinter sich. Auf Maultieren waren sie über den Hindukusch nach Pakistan geschmuggelt worden. Immer häufiger erschienen nun Filme aus dem Landesinneren Afghanistans in ausländischen Medien.
    Sie waren nicht kriegsentscheidend. Das Interesse des Westens am Leid der Afghanen blieb gering. Wie zu erwarten, landeten auch einige der Kameras auf dem Schwarzmarkt. Doch der sowjetischen Führung war die Aktion nicht gleichgültig. Sie wusste, ab jetzt konnte über jedes Massaker rasch berichtet werden. Brutale Militäraktionen, die vorher problemlos waren, wurden plötzlich heikel.
    Im Februar 1989 verließ der letzte sowjetische Soldat Afghanistan. Ich hatte diesen Tag so herbeigesehnt. Doch er wurde für Afghanistan nicht zum Beginn einer Ära des Friedens. Der Westen ließ das Land in seinem Elend allein. Und die Mudschaheddin verspielten die Chance, Afghanistan stabilen Frieden zu schenken.
    Als im April 1992 auch die kommunistische Regierung Afghanistans gestürzt wurde, brach unter den Anführern der Mudschaheddin ein hemmungsloser Machtkampf aus. Er bescherte dem Land einen furchtbaren Bürgerkrieg. Was in Afghanistan noch nicht zerstört war, wurde nun in Schutt und Asche gelegt. Kabul wurde von Hekmatyar, Dostum, Rabbani und Massoud in eine Ruinenstadt verwandelt.
    Meine Enttäuschung kannte keine Grenzen. Neun Jahre hatte ich mich für Frieden in Afghanistan eingesetzt. Hatte mich auslachen und beschimpfen lassen. Alles vergeblich! Neun verlorene Jahre! Ich zog mich aus allen politischen Diskussionen zurück.
    Die Kriege des George W. Bush
    Doch dann kam 9/11. Und kurz danach der Angriff der USA auf Afghanistan. Im Fernsehen sah ich die grün leuchtenden Nachtaufnahmen der Bombardierung. Es war, als träfen mich die blitzenden Einschläge der US -Raketen und Marschflugkörper mitten ins Herz. Ich sah bildlich vor mir, wie sich Frauen, Kinder und Greise in die Ecken ihrer armseligen

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