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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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müssten wir durch eine Gegend, in der es Scharfschützen gebe. Von wem auch immer.
    Bei einem verlassenen Restaurant halten wir an. Das Krankenhaus, in das wir wollen, ist nur noch 300 Meter entfernt. Aber dazwischen liegt das Scharfschützengebiet, die Sniper Area . Telefonisch versucht Sinan zu erfragen, wie wir das Gefahrengebiet umfahren könnten. Dreihundert Meter können sehr weit sein, wenn auf Dächern und Balkonen Scharfschützen lauern.
    Vom Dach des Restaurants sehen wir die Ruinen von Baba Amr. Aus Al-Khalidiya steigen immer mehr Rauchschwaden auf. Sie verdüstern den Himmel. Auch in unserem Viertel wird geschossen. Als neben Frédéric klatschend eine Kugel einschlägt, ziehen wir uns ins Erdgeschoss zurück.
    Über uns hören wir das Brummen einer syrischen Drohne. Dann schlagen auch in unserer Gegend Granaten ein. Zwar noch ein paar hundert Meter entfernt, aber akustisch ziemlich nahe. Scharif drängt zum sofortigen Aufbruch. Sonst bräuchten wir nicht mehr weit zu fahren, um Tote zu sehen. Doch ich befinde mich gerade an einem stillen Örtchen und bin in meiner Beweglichkeit behindert. Was ich da tue, könne ich überall tun, ruft Scharif erregt. Doch das ist nicht immer richtig. Ich brauche einfach noch einige Augenblicke.
    Draußen scheint sich ein Inferno zu entwickeln. Alle paar Sekunden schlagen Granaten ein. Sinan meint, die Detonationen seien noch immer einige hundert Meter entfernt. Aber hier ist alles nur einige hundert Meter entfernt. Freund, Feind, Frieden, Krieg. Wir müssen aufbrechen.
    Sinan bietet Frédéric und mir an, bei ihm zu übernachten. Wir könnten sein Zimmer haben. Er werde im Zimmer seines Freundes übernachten. Ich halte den Atem an. Dieser junge Rebell hatte uns noch vor ein paar Stunden mit entsicherter Waffe mitten auf der Straße gestoppt. Wenn wir weitergefahren wären, hätte er wahrscheinlich geschossen. Doch jetzt, wo wir von der Armee bombardiert werden, bietet er uns sein Zuhause an.
    Wir lehnen dankend ab. Doch was ist das für ein seltsamer Krieg! Voll liebenswerter Menschen auf beiden Seiten. Die sich leider gegenseitig umbringen, weil irgendjemand in ihrem Innern diesen verdammten Hebel umgelegt hat, der das Ermorden von »Feinden« zur Heldentat erklärt.
    Auch Frédéric ist verblüfft. Er bittet Sinan um dessen Skype-Adresse und bekommt sie. Dann diskutieren die zwei wie alte Kumpels. Ich möchte am liebsten sitzen bleiben und ihr Gespräch in allen Details aufschreiben. Doch wozu? Nur wenige würden es verstehen. Sonst gäbe es ja all diese hirnrissigen Kriege nicht. Außerdem müssen wir jetzt erst einmal aus Homs raus.
    Die Todesstraße nach Damaskus
    Scharif fährt los. Doch Schützenpanzer und Militärjeeps sperren die Auffahrt zur Schnellstraße nach Damaskus. Die Soldaten raten den Autofahrern dringend von einer Weiterfahrt ab. Die Straße sei vor einigen Stunden von Rebellen angegriffen worden. Es habe Tote gegeben. Die Armee habe zur Zeit keine Kontrolle über die Straße. Ein Großteil der Fahrer wendet.
    Scharif räumt ein, dass auf der Straße nach Damaskus in der Tat »gelegentlich« Autos in die Luft gejagt würden. Oder von »fliegenden Kontrollposten« der Rebellen angehalten und überprüft würden. »Alawitische Verräter« würden sofort exekutiert. Jede Woche komme es zu solchen Überfällen. Auch das Militär wage sich an manchen Tagen nur in Konvois auf diese Straße. Heute offenbar gar nicht mehr.
    Wir sehen, dass einige Lastwagen trotz der Warnung weiterfahren. Dennoch rate ich zur Rückkehr nach Homs. Aber Scharif will unter keinen Umständen zurück. Seine Wohnung sei geräumt und versiegelt. Mehrere Nachbarn hätten seine Abreise gesehen. Er habe in Homs nicht nur Freunde. Sinans Einladung aber gelte nur für Frédéric und mich. Er habe keine Ahnung, wo wir gemeinsam übernachten könnten. Wenn wir ins Hotel führen, hätten wir sofort den Geheimdienst am Hals. Das will er offenbar auch vermeiden. Schließlich gehöre er zur Opposition, wenn auch zur demokratischen. »Wir müssen leider versuchen durchzukommen«, sagt er und fährt los.
    Ich habe ein mulmiges Gefühl. Wir fahren zwar wieder in einem unauffälligen Kleinwagen. Aber wer weiß, nach welchen Kriterien die Rebellen ihre Ziele aussuchen? Ich erkläre Scharif daher nach ein paar Minuten, dass mein Bedarf an Schießereien gedeckt sei. Ich bitte ihn umzudrehen. Wir würden schon irgendeine Unterkunft finden. Doch er fährt weiter. Als wir einen Rastplatz sehen, werde ich

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