Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
Vom Netzwerk:
Straßensperre. Bewaffnete Soldaten kamen ans Autofenster. Unsere deutschen Pässe erregten Aufsehen. Trotzdem wurden wir schnell durchgewinkt. Offenbar machten wir einen ungefährlichen Eindruck. Agenten pflegten ohne ihre Söhne zu reisen.
    In Homs harrten wir vor Scharifs Haus auf das zweite Auto. Zehn Minuten, zwanzig Minuten. Scharif wurde unruhig. Plötzlich fiel ihm ein, dass er den Pass seiner Hausangestellten in der Ablage seines Autos hatte. Ohne Papiere aber war seine Mitarbeiterin in Gefahr. Scharif warf sich buchstäblich in sein Auto. Mit heulendem Motor und quietschenden Reifen raste er zurück.
    Wir warteten und warteten. Endlich tauchten in der Ferne die beiden Autos auf. Scharif war noch immer wütend auf sich. »Sie waren bereits in der Vernehmungsbaracke.«
    Wir gingen ins Haus. Scharifs Wohnung war leer geräumt. Seine Hausangestellte hatte offenbar nur die Aufgabe, Strom und Wasser abzustellen und alles zu verriegeln. Scharif musste Homs aus Sicherheitsgründen vorerst aufgeben.
    Vom Balkon seiner Wohnung blicken wir auf Al-Khalidiya. Der Stadtteil wird von Rebellen beherrscht. Und deshalb von Regierungstruppen beschossen. Dicke Rauchwolken verdunkeln den Himmel. Explosionen sind zu hören. Wir gehen wieder zu unserem Auto und fahren nach Al-Waer. Dort ist Niemandsland. Denken wir.
    Plötzlich sehen wir hinter uns einen weißen Toyota Corolla. Er fährt dicht auf. Dann überholt er uns und blockiert die Straße. Ein junger Mann mit Lockenkopf steigt aus. Mit finsterer Miene. In seiner Hand hält er eine Pistole mit silbernem Knauf. Misstrauisch geht er auf Scharif zu. Durch die offene Tür des Corolla sehen wir die Maschinenpistole, die sein Begleiter auf den Knien hat. Und sein Walkie-Talkie, mit dem er Informationen über uns durchgibt.
    Auch eine Pistole mit Silberknauf kann ungemütlich sein. Vor allem, wenn ihr Besitzer sie in den Rahmen eines Autofensters legt und demonstrativ entsichert. Was wir hier filmten, fragt der junge Mann schmallippig. »Die Zerstörungen der Stadt«, antworte ich.
    Ich spüre, dass ich schnell etwas unternehmen muss, um die feindliche Stimmung abzubauen. Ich steige aus und gehe auf ihn zu: Jetzt richtet er die Pistole auf mich. »Können Sie uns helfen? Wir wollen zeigen, was mit der Stadt passiert ist«, frage ich ruhig. »Wir sind aus Deutschland.«
    Araber lehnen in ihrem Land selten die Bitte eines Fremden um Hilfe ab. Auch hier ist das so. Die Atmosphäre ändert sich schlagartig. Wir sind keine Feinde oder Spione mehr, sondern Gäste. Wir sollen hinter ihm herfahren, meint der Lockenkopf plötzlich fast freundlich.
    Er heißt Sinan und kämpft für die »Freie Syrische Armee«. Als Erstes bringen er und sein Begleiter uns in ein verlassenes Hochhaus. Das silberne Schießeisen, die Maschinenpistole und das Walkie-Talkie nehmen sie mit.
    Im zugigen zweiten Stock sind zwei Flüchtlingsfamilien untergebracht. Sie stammen aus dem Homser Stadtteil Al-Khalidiya. Ihre Wohnungen sind bei Kämpfen zerstört worden. Außer ihrem Leben, ein paar Decken, Blechtöpfen und einem winzigen Gaskocher konnten sie nichts retten. Sie sind Flüchtlinge in ihrer eigenen Stadt. Die Mutter weint. Die Kinder drücken sich verschüchtert in eine Ecke des Zimmers. Die kleinen Mädchen ziehen ihre Schleier vors Gesicht. Es ist kalt in der feuchten Wohnung. Alles ist trostlos. Als schließlich alle weinen, verlassen wir den Raum. Was sollen wir diesen Menschen ohne Hoffnung auch sagen?
    Sinan will uns verletzte Rebellen zeigen. Wir folgen ihm gespannt. Nach einer längeren Fahrt um die Checkpoints der staatlichen Sicherheitskräfte herum stehen wir endlich vor einem Krankenhaus. Es kommt mir bekannt vor. Ob das nicht zufällig das Al-Birr-Krankenhaus sei, erkundige ich mich. »Klar«, antwortet Sinan. »Da bringen wir unsere Leute immer hin.«
    Es ist tatsächlich das Krankenhaus, in dem ich im November nach den Opfern eines »Al-Dschasira-Gefechts« gesucht hatte. »Naiv und ahnungslos« hatten deutsche Syrienexperten dies nach meiner Rückkehr genannt. In Homs gebe es kein Krankenhaus für verletzte Rebellen.
    Doch über die damalige Falschmeldung von Al-Dschasira möchte ich mit dem Klinikarzt nicht erneut diskutieren. Vor allem nicht im Beisein von Sinan. Als ich ihm erkläre, dass ich das Al-Birr-Krankenhaus schon kenne, schlägt er mir ein zweites Krankenhaus vor. Auch dort brächten sie gelegentlich Verletzte hin. Doch es liege in einem anderen Viertel. Um dort hinzukommen,

Weitere Kostenlose Bücher