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Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Titel: Du stirbst nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Schmidt
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Erstickungsgefühl vorbei ist. Eines der Servicemädchen hat ihr ein paarmal auf den Rücken geschlagen. Tränen laufen, und sie lacht darunter, lacht, dass die Greise einstimmen. Nun sitzt sie nicht mehr im Schweigen, sondern am lustigsten Tisch im Speisesaal.

Wie verschenkt man eigentlich am besten Glauben?
Zu Hause entspannt sich die Lage, wenn sie Billy Glauben schenkt. Wenn sie aber Matthes Glauben schenkt, ist es nach wie vor hart und aufreibend. Das sagt Matthes nicht. Matthes sagt eigentlich nichts anderes als Billy, doch sein Gesicht spricht dagegen.
Bill hat erzählt: Mit Bengt haben sie sich im Familienrat darauf verständigt, dass es besser ist, wenn er kein Urlaubssemester einlegt. Es läuft verlässlich, und wenn Helene in absehbarer Zeit nach Hause kommt, könnte es eng werden in der Arberstraße, sie braucht Ruhe und wird durch Bengts Üben womöglich gestört. (Lauter Protest, niemals! ) Billys Gesicht: gelöst, entlastet.
Matthes hat erzählt: Familienrat, mühselig einberufen im Terminwirrwarr der zu Beteiligenden, hat sich nach langer Diskussion mit Bengt darauf geeinigt, dass er lieber weiterstudiert, sonst wird es zu eng in der Arberstraße. (Keine Idee, wie dagegen zu protestieren sei.) Matthes’ Gesicht: duldend, das Geplagtsein versteckend.
Eigentlich keine Frage, wem sie lieber Glauben schenkt. Nur wie?

Sie übt. Den Arm zu heben. Die Physiotherapeutin hat sie auf den Boden gelegt, auf den Rücken gedreht. Sie bekommt in die linke Hand wieder den Stab, klammert die rechte, so fest es geht, darum. Dann fasst die Therapeutin rechts zu, hilft so der linken Hand, den Stab hoch über den Kopf zu heben. Der rechte Arm macht mit. Aber alleine? Nach zehn Übungseinheiten soll er es versuchen. Immer noch ist er ein Fremdling, scheint nicht zum Körper zu gehören. Sie strengt sich so sehr an, ihm ihre Befehle zu erteilen, dass ihr Kopf rot wird und die Therapeutin alarmiert Einhalt gebietet. Vielleicht hat sie Angst, dass der entstehende Druck das Aneurysma erneut öffnet? Das geht nicht. Helene möchte sie beruhigen, sie ist doch geclipt!, aber der Körper zittert allein schon unter der Vorstellung einer Blutung. An Sprechen nicht zu denken. Die Therapeutin hält das Zittern ihrerseits wohl für eines der Anstrengung, aber das ist es nicht. Sie hilft ihr auf, jetzt wollen wir aber auf den Schreck erst mal ein Stückchen laufen! , und lässt den Rollator beiseite.
???
Doch, doch, heute mal ohne! , die fünf Worte sind alles, was sich dazu aus ihrem Mund bequemt. Linker Arm der Therapeutin um Helenes Hüfte gelegt. Der rechte Arm der Therapeutin zuckt jedes Mal, wenn Helene den rechten Fuß aufsetzt, bleibt aber an seinem Platz auf ihrem rechten Oberarm. Sie muss lachen. Denkt an Pietro, den Schauspielerfreund. Einer seiner bei den damals noch kleinen Kindern beliebtesten Sketche war der von der Schwungrad-Elli: In geradem Lauf knickte ein Bein immer sehr plötzlich ein, fing sich aber, ehe Pietro hinfallen konnte, um beim nächsten Schritt schon wieder wegzusacken. An lauen Sommerabenden hatten sie unter der erhabenen Kastanie vor seinem Häuschen in der Nähe von Anklam gesessen und sich nicht mehr halten können vor Lachen, als die Kinder versuchten, diesen Gang zu imitieren. Schwungrad-Elli , sagt sie lachend, und auch die Therapeutin prustet los. Nach zwanzig Metern hin und zwanzig Metern zurück darf sich Helene wieder auf die Matte legen. Ein letzter Versuch. Sie schickt den Befehl mit aller Kraft in den Arm und versucht, den Kopf von der Anstrengung auszunehmen. Allen Druck in den Arm geben. Allen. Los. Los! Sehr langsam, sehr langsam erhebt er sich, kommt aus dem Knick, im wahrsten Sinne, er schafft, er schafft es tatsächlich, sich aufzurichten!
Na ja, fast.

In dem kleinen Dorf bei Anklam hatten sie oft Ferien gemacht. Hier am See erinnert manches an damals: Die hohen Bäume mit Feuerstelle darunter, die Stille am Wasser, man kann alle Flausen auf und davon gehen hören aus dem eigenen Kopf. Ein weiter Acker ist der See, der von einem unterirdischen Pflug umgegraben wird, Streifen für Streifen, sie fragt sich, was dort keimen wird, Kartoffeln?, Wintergerste?, sie sieht ihn in wogendem Grün und verspürt tiefe Freude, auf einmal!, noch am Leben zu sein, sich etwas vorstellen zu können, das die Wirklichkeit auf eine beinahe lieblich zu nennende Weise fortschreibt, sie im Wachzustand in den Traum wippen lässt, hin, zurück, wieder hin – das Glück hat mehr als fünf einfache

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