Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
Vom Netzwerk:
fürchte, an diesem Abend Unseres Herrn wird es nichts mehr mit deinem Basar.
    Um neun Uhr hörte ich den Schlüssel meines Onkels in der Haustür. Ich hörte, wie er mit sich selbst sprach, und hörte, wie der Garderobenständer unter dem Gewicht seines Überziehers schwankte. Ich vermochte diese Zeichen zu deuten. Als er mit seinem Abendessen halb fertig war, bat ich ihn um das Geld, mit dem ich zum Basar gehen wollte. Er hatte es vergessen.
    – Die Leute liegen doch längst im Bett und schlafen, sagte er.
    Ich lächelte nicht. Meine Tante sagte zu ihm energisch:
    – Kannst du ihm nicht das Geld geben und ihn gehen lassen? Du hast ihn schon lange genug warten lassen.
    Mein Onkel sagte, es tue ihm sehr leid, dass er es vergessen habe. Er halte es ja selbst, sagte er, mit der alten Weisheit Zum Glücklichsein gehört mehr als Arbeit. Er erkundigte sich, wohin ich gehe wolle, und als ich es ihm zum zweiten Mal sagte, fragte er mich, ob ich den Abschied des Arabers von seinem Ross * kenne. Gerade als ich die Küche verließ, war er in Begriff, meiner Tante die ersten Verse vorzutragen.
    Ich hielt eine Florinmünze * fest umklammert, während ich die Buckingham Street hinunter in Richtung Bahnhof ging. Der Anblick der von Gaslaternen grell erleuchteten Straßen, in denen es von Käufern wimmelte, erinnerte mich an den Zweck meiner Reise. Ich nahm im Dritter-Klasse-Abteil eines völlig leeren Zuges Platz. Nach einer unerträglich langen Wartezeit verließ der Zug langsam den Bahnhof. Zwischen baufälligen Häusern kroch er voran und dann über den glitzernden Fluss. An der Station Westland Row drängte sich eine Menschenmenge zu den Abteiltüren, aber die Gepäckträger hießen sie zurücktreten, weil es sich um einen Sonderzug zum Basar handelte. Ich blieb allein in dem kahlen Waggon. Einige Minuten später hielt der Zug an einem behelfsmäßigen Bahnsteig aus Brettern. Ich ging hinaus auf die Straße und sah auf dem erleuchteten Zifferblatt einer Uhr, dass es zehn Minuten vor zehn war. Vor mir stand ein großer Bau, an dem der magische Name zu lesen war.
    Ich konnte keinen Eingang finden, wo der Zutritt nur sechs Pennys kostete, und da ich fürchtete, der Basar könnte gleich schließen, ging ich schnell durch ein Drehkreuz und gab einem müde aussehenden Mann einen Shilling. Ich befand mich nun in einer großen Halle, die auf halber Höhe von einer Galerie gesäumt war. Fast alle Stände waren schon geschlossen, und die Halle lag großenteils im Dunkel. Ringsum herrschte eine Stille, die mich an die in einer Kirche nach dem Gottesdienst erinnerte. Schüchtern ging ichin die Mitte des Basars. An den Ständen, die noch geöffnet waren, standen einige Leute beisammen. Vor einem Vorhang, über dem mit bunten Glühbirnen die Worte Café Chantant geschrieben standen, waren zwei Männer dabei, Geld auf einem Tablett zu zählen. Ich hörte das Klimpern der Münzen.
    Mit Mühe rief ich mir in Erinnerung, warum ich gekommen war, und ging zu einem der Stände und sah mir prüfend Porzellanvasen und geblümtes Teegeschirr an. Am Eingang zu dem Stand unterhielt sich eine junge Dame lachend mit zwei jungen Herren. Ich bemerkte ihren englischen Akzent und hörte ihrem Gespräch geistesabwesend zu.
    – Oh, das hab ich doch niemals gesagt!
    – Oh, hast du doch!
    – Oh, hab ich nicht!
    – Hat sie’s nicht gesagt?
    – Ja, ich hab es gehört.
    – Oh, das ist doch glatt ... geschwindelt!
    Als sie mich bemerkte, kam die junge Dame zu mir und fragte, ob ich etwas kaufen wolle. Ihr Ton war nicht ermutigend; sie schien mich nur aus Pflichtgefühl angesprochen zu haben. Schüchtern sah ich die großen Gefäße an, die wie orientalische Wächter zu beiden Seiten des dunklen Eingangs postiert waren, und murmelte:
    – Nein, danke.
    Die junge Dame rückte eine der Vasen zurecht und kehrte dann zu den beiden jungen Männern zurück. Sie unterhielten sich weiter über dasselbe Thema. Ein- oder zweimal warf mir die junge Dame einen Blick über die Schulter zu.
    Ich blieb noch eine Weile an ihrem Stand stehen, obwohl es sinnlos war zu bleiben, um mein Interesse an ihren Waren glaubwürdiger zu machen. Dann wandte ich mich langsam ab und entfernte mich durch die Mitte des Basars. Ich ließ die zwei Pennys und die Sixpence-Münze inmeiner Hosentasche aneinanderklimpern. Von einem Ende der Galerie her hörte ich eine Stimme rufen, das Licht sei abgeschaltet. Die obere Hälfte der Halle lag nun völlig im Dunkeln.
    Als ich hinauf in die

Weitere Kostenlose Bücher