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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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habe, ist nicht nur eine Erinnerung, das nicht, sondern ein richtiger Geist in der Maschine. Er ist ich. Ach du lieber Gott, Mr. Gray – das bin ich!
    Jonesy steht schnell auf und läuft los und fliegt fast aus der Bahn, als er um eine Ecke rast. Aber er bleibt auf den Beinen, er ist so beweglich und schnell, wie nur ein Dreizehnjähriger es sein kann, und er hat keine Schmerzen, überhaupt keine Schmerzen.
    Den nächsten Korridor erkennt er. Dort steht eine abgestellte Trage mit einer Bettpfanne drauf. Und daran vorbei geht leichtfüßig der Hirsch, den er an jenem Tag, kurz vor seinem Unfall, in Cambridge gesehen hat. Er hat einen Riemen um den samtigen Hals, und daran hängt wie ein riesiges Amulett Jonesys magischer Achterball. Jonesy läuft an dem Hirsch vorbei, und der schaut ihm ruhig und verwundert hinterher.
    Jonesy!
    Nah jetzt. Ganz nah.
    Jonesy! Beeil dich!
    Jonesy verdoppelt sein Tempo, seine Füße fliegen nur so, seiner jungen Lunge macht das alles nichts, er hat keinen Byrus, denn er ist immun, es gibt da keinen Mr. Gray, zumindest nicht in ihm drin, Mr. Gray ist in dem Krankenhaus und war es auch immer, Mr. Gray ist wie ein amputiertes Bein, das man immer noch spürt, man würde schwören, es sei noch da, Mr. Gray ist der Geist in der Maschine, und dieser Geist liegt an einem Lebenserhaltungssystem, und dieses Lebenserhaltungssystem ist Jonesy.
    Er biegt wieder um eine Ecke. Hier gibt es drei Türen, die alle offen stehen. Dahinter, an der vierten Tür, die als einzige verschlossen ist, steht Henry. Henry ist dreizehn, wie Jonesy auch; Henry trägt eine orangefarbene Winterjacke, wie Jonesy auch. Die Brille ist ihm wie üblich auf die Nasenspitze gerutscht, und er winkt ihn hastig herbei.
    Beeil dich! Mach schnell, Jonesy! Er hält nicht mehr lange durch! Er kann uns nicht mehr zusammenhalten! Wenn er stirbt, ehe wir Mr. Gray töten …
    Er kommt bei Henry an der Tür an. Er will ihn in die Arme schließen, aber dafür ist keine Zeit.
    Das ist alles meine Schuld, sagt er zu Henry, und seine Stimme klingt so hoch wie seit Jahren nicht mehr.
    Nein, das stimmt nicht, sagt Henry. Er sieht Jonesy mit seiner alten Ungeduld an, die Jonesy, Pete und Biber schon als Kinder immer beeindruckt hat – Henry schien ihnen immer einen Schritt voraus zu sein, wirkte immer drauf und dran, in die Zukunft davonzupreschen und die anderen hinter sich zurückzulassen. Es kam ihnen immer vor, als hielten sie ihn von irgendwas ab.
    Aber …
    Dann könntest du genauso gut behaupten, Duddits hätte Richie Grenadeau ermordet, und wir seien dabei seine Komplizen gewesen. Er war, was er war, Jonesy, und er hat uns zu dem gemacht, was wir sind … aber das war keine Absicht. Absichtlich konnte er sich höchstens mal die Schuhe zubinden, weißt du nicht mehr?
    Und Jonesy denkt: Was mahn? Pass nich?
    Henry … ist Duddits …
    Für uns hält er noch durch, Jonesy, das habe ich dir doch gesagt. Er hält uns zusammen.
    In dem Traumfänger.
    Genau. Wollen wir jetzt also hier auf dem Flur stehen und diskutieren, während genau jetzt die ganze Welt den Bach runtergeht, oder wollen wir …
    Das Schwein machen wir kalt, sagt Jonesy und greift zum Türknauf. Oben an der Tür steht auf einem Schild KEINE ANSTECKUNGSGEFAHR – IL N’Y A PAS D’INFECTION ICI, und plötzlich sieht er diesen Text mit ganz anderen Augen. Es ist wie mit einer dieser optischen Täuschungen von M. C. Escher. Von einem bestimmten Gesichtspunkt aus ist es wahr und von einem anderen Gesichtspunkt aus gleichzeitig die abscheulichste Lüge des Universums.
    Traumfänger, denkt Jonesy und dreht den Türknauf.
    Der Raum hinter der Tür ist ein Byrus-Gewächshaus, ein albtraumhafter Dschungel, überwuchert von Ranken und Reben und Lianen, die sich zu blutroten Zöpfen ineinander geflochten haben. Es stinkt nach Schwefel und Äthylalkohol, der Gestank von Startfix, das man an einem kalten Januarmorgen in einen bockigen Vergaser sprüht. Wenigstens müssen sie sich hier nicht auch noch vor irgendwelchen Kackwieseln vorsehen; das ist in einem anderen Faden des Traumfängers, an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit. Das Byrum ist jetzt Lads Problem; er ist ein Border Collie mit eher düsteren Zukunftsaussichten.
    Der Fernseher ist an, und obwohl die Mattscheibe mit Byrus überwuchert ist, dringt geisterhaft ein Schwarz-Weiß-Bild durch. Ein Mann schleift einen toten Hund über einen Betonboden. Der Boden ist staubig und mit trockenem Herbstlaub übersät, und es sieht

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