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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kindern – in einem Fall auch Enkelkindern – in zwei Kleinstädten südlich von Seattle wohnten. Die massenhaften Berichte über sexuellen Missbrauch in Kindertagesstätten fingen anscheinend damit an, dass gleichzeitig in Delaware und Kalifornien Mädchen, die dort als Aushilfe arbeiteten, blinden Alarm schlugen. Möglicherweise ein Zufall, aber vielleicht war die Zeit auch einfach reif dafür, dass man an solche Geschichten glauben wollte, und diese Mädchen haben das gewittert.«
    Wie flüssig ihm doch die Worte aus dem Munde quollen, fast als hätten sie noch eine Bedeutung. Henry sprach, und der Mann neben ihm lauschte, tumb bewundernd, und niemand (und schon gar nicht Pete) hätte dabei vermuten können, dass Henry eigentlich an die Flinte dachte, an die Schlinge, das Auspuffrohr, die Tabletten. Sein Kopf steckte voller Endlosbänder, das war alles. Und seine Zunge war das Abspielgerät.
    »In Salem haben die alten Männer und die jungen Frauen ihre Hysterie vereint«, fuhr Henry fort. »Und voilà, schon hast du die Hexenprozesse von Salem.«
    »Den Film habe ich mit Jonesy gesehen«, sagte Pete. »Da hat Vincent Price mitgespielt. Hat mir eine Heidenangst eingejagt.«
    »Das glaube ich«, sagte Henry und lachte. Einen kurzen, verrückten Moment lang hatte er gedacht, Pete hätte Hexenjagd gemeint. »Und wann werden hysterische Ideen besonders glaubhaft? Sobald die Ernte eingefahren ist und das Wetter schlecht wird natürlich – dann hat man Zeit, Geschichten zu erzählen und Unfrieden zu stiften. In Wenatchee, Washington, sind es Teufelsanbetung und Kinderopfer in den Wäldern. In Salem waren es Hexen. Und in Jefferson Tract, Heimstätte des unvergleichlichen Gosselin’s Market, sind es merkwürdige Lichter am Himmel, vermisste Jäger und Truppenmanöver. Ganz zu schweigen von dem komischen roten Zeug, das an den Bäumen wächst.«
    »Mit den Hubschraubern und Soldaten, das weiß ich nicht, aber so viele Leute haben diese Lichter gesehen, dass sie jetzt eigens eine Stadtversammlung abhalten. Das hat mir der alte Gosselin erzählt, als du die Büchsen holen warst. Und außerdem werden diese Leute in Kineo wirklich vermisst. Das ist keine Hysterie.«
    »Nur vier kurze Einwände«, sagte Henry. »Erstens kann man in Jefferson Tract keine Stadtversammlung abhalten, weil es hier gar keine Stadt gibt – auch Kineo ist nur eine lose besiedelte Gegend mit einem Namen. Zweitens wird die Versammlung am Franklin-Ofen des alten Gosselin abgehalten, und die Hälfte der Teilnehmer wird von Pfefferminzschnaps oder Coffee Brandy hackedicht sein.«
    Pete kicherte.
    »Drittens: Was haben sie denn sonst zu tun? Und viertens: Was die Jäger angeht – die hatten wahrscheinlich entweder keine Lust mehr und sind nach Hause gefahren, oder sie haben sich alle besoffen und wollten im Spielcasino in Carrabassett das große Los ziehen.«
    »Meinst du, ja?« Pete wirkte geknickt, und Henry hatte ihn plötzlich sehr lieb. Er tätschelte ihm das Knie.
    »Hab keine Angst«, sagte er. »Die Welt ist voller Seltsamkeiten.« Wäre die Welt wirklich voller Seltsamkeiten gewesen, dann wäre Henry, dachte er, nicht so erpicht darauf gewesen, sie zu verlassen, aber wenn Psychiater eines beherrschten (mal davon abgesehen, Rezepte für Prozac, Paxil und Ambien auszustellen), dann war es das Lügen.
    »Aber es kommt mir doch schon ziemlich merkwürdig vor, dass gleichzeitig vier Jäger verschwinden.«
    »Ach was«, sagte Henry und lachte. »Einer wäre sonderbar, zwei wären merkwürdig. Aber vier? Die sind gemeinsam abgehauen, verlass dich drauf.«
    »Wie weit ist es noch zur Hütte, Henry?« Was übersetzt bedeuten sollte: Habe ich noch Zeit für ein Bier?
    Henry hatte den Tageskilometerzähler bei Gosselin’s auf null gestellt, eine alte Angewohnheit noch aus der Zeit, als er für den Bundesstaat Massachusetts gearbeitet und zwölf Cent pro Meile bekommen hatte und so viele psychotische Tattergreise, wie sein Herz begehrte. Die Entfernung vom Laden zur Hütte war einfach zu merken: 22,2 Meilen. Der Zähler zeigte jetzt 12,7 an, was bedeutete, dass …
    »Pass auf!«, schrie Pete, und Henry schaute wieder nach vorn.
    Der Scout war eben mitten im Wald auf der Kuppe eines steil ansteigenden Hügels angelangt. Hier schneite es heftiger denn je, aber Henry hatte das Fernlicht an und sah die Person klar und deutlich, die gut dreißig Meter vor ihnen auf der Straße saß. Die Person trug einen Dufflecoat, eine orangefarbene Weste, die sich wie

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