Duddits - Dreamcatcher
größtenteils tief unter der Haut. Ein Auge blinzelt fast, und dann blinzelt das andere tatsächlich. Sie zieht ein Taschentuch hervor und schneuzt sich. Biber denkt: Sie gibt sich Mühe, uns nicht auszulachen. Als er Henry das auf dem Heimweg erzählt, Jonesy und Pete haben sich schon von ihnen verabschiedet, wird Henry ihn absolut verwundert ansehen. Sie hat sich Mühe gegeben, nicht zu weinen, wird er sagen … und dann, nach einer Pause, liebevoll: Trottel.
»Das würdet ihr tun?«, fragt sie, und als Henry für sie alle nickt, formuliert sie die Frage um. »Warum würdet ihr das tun?«
Henry sieht sich um, wie um zu sagen: Kann das bitte schön mal wer anders beantworten?
»Weil wir ihn mögen, Ma’am«, sagt Pete.
Jonesy nickt. »Ich mag es, wie er sich die Lunchbox über den Kopf hält …«
»Ja, das ist geil«, sagt Pete. Henry verpasst ihm unter dem Tisch einen Tritt. Pete führt sich vor Augen, was er gesagt hat – dabei kann man ihm zusehen –, und wird knallrot.
Mrs. Cavell hat es anscheinend nicht bemerkt. Sie sieht Henry durchdringend an. »Er muss um Viertel vor acht los«, sagt sie.
»Um die Zeit kommen wir hier sowieso immer vorbei«, erwidert Henry. »Nicht wahr, Jungs?«
Und obwohl 7.45 Uhr wirklich ein bisschen früh für sie ist, nicken sie alle und sagen ja, stimmt, klar, sowieso.
»Das würdet ihr tun?«, fragt sie wieder, und diesmal hat Biber keine Schwierigkeiten, ihren Ton einzuschätzen; sie kann es einfach nicht fassen.
»Klar«, sagt Henry. »Es sei denn, Duddits hat … na …«
»Hat was dagegen«, schließt Jonesy.
»Seid ihr verrückt?«, fragt sie. Biber denkt, sie führt ein Selbstgespräch und will sich davon überzeugen, dass diese Jungs tatsächlich in ihrer Küche sitzen und das alles hier tatsächlich passiert. »Mit den großen Jungs zur Schule gehen? Den Jungs, die, wie Duddits immer sagt, zur ›richtigen Schule‹ gehen? Er würde sich fühlen wie im siebten Himmel.«
»Okay«, sagt Henry. »Wir kommen um Viertel vor acht vorbei und bringen ihn zur Schule. Und wir bringen ihn auch wieder nach Hause.«
»Er hat Schulschluss um …«
»Ah, wir wissen, wann die Behindi-Akademie Schluss hat«, sagt Biber vergnügt und bemerkt eine Sekunde bevor er die bedrückten Blicke der anderen sieht, dass er etwas viel Schlimmeres als geil gesagt hat. Er hält sich die Hände vor den Mund. Und macht große Augen. Jonesy tritt ihm unter dem Tisch so heftig ans Schienbein, dass Biber fast hintenüberkippt.
»Hören Sie nicht auf ihn, Ma’am«, sagt Henry. Er spricht schnell, und das macht er bloß, wenn er sich geniert. »Er hat nur …«
»Das stört mich nicht«, sagt sie. »Ich weiß, wie die Leute dazu sagen. Manchmal nennen Alfie und ich sie auch so.« Erstaunlicherweise scheint dieses Thema sie kaum zu interessieren. »Wieso?«, fragt sie noch einmal.
Und obwohl sie Henry dabei anschaut, antwortet Biber, trotz seiner rot glühenden Wangen. »Weil er cool ist«, sagt er. Die anderen nicken.
Während der nächsten fünf Jahre bringen sie Duddits zur Schule und wieder nach Hause, wenn er nicht gerade krank ist oder sie auf ihrer Jagdhütte sind; und später geht Duddits dann nicht mehr auf die Mary M. Snowe alias Behindi-Akademie, sondern auf die Berufsschule, wo er lernt, Kekse zu backen ( Tsetse batten, sagt er dazu), Autobatterien auszutauschen, Wechselgeld herauszugeben und sich selbst die Krawatte zu binden (der Knoten ist immer perfekt, auch wenn er ihn manchmal vor der Brust trägt). Da ist dann die Sache mit Josie Rinkenhauer schon längst passiert, Schall und Rauch, von allen vergessen, nur von Josies Eltern nicht, die es nie vergessen werden. In diesen Jahren, in denen sie ihn zur Schule und nach Hause bringen, schießt Duddits in die Höhe, bis er der Größte von ihnen ist, ein schlaksiger, hoch aufgeschossener Teenager mit einem eigenartig schönen Kindergesicht. Da haben sie ihm mittlerweile beigebracht, Mensch ärgere dich nicht und eine vereinfachte Form von Monopoly zu spielen; da haben sie längst das Duddits-Spiel erfunden und spielen es ständig und lachen dabei manchmal so laut, dass Alfie Cavell (der größer als seine Frau war, aber auch wie ein Vögelchen wirkte) oben in der Küche an den Treppenabsatz kam, der Treppe, die hinunter zum Freizeitraum führte, und zu ihnen hinunterrief, was denn los sei, was denn so lustig sei. Und dann versuchten sie ihm zu erklären, dass Duddits für Henry nicht zwei, sondern vierzehn Punkte gesteckt hatte
Weitere Kostenlose Bücher