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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zurück geschaukelt. Sein Gebrabbel scheint fast ausschließlich aus offenen Vokallauten zu bestehen. Und Biber erstaunt am meisten, wie viel er davon versteht.
    Als er jetzt die Frau, die so zart wie ein Vögelchen wirkt, erblickt, lässt Duddits Jonesys Hand los und läuft auf sie zu, sie laufen beide aufeinander zu, und das erinnert Biber an ein Musical über ein paar Sänger, die Von Cripps oder Von Crapps oder so was in der Richtung. »Ah-mieh! Ah-mieh!«, ruft Duddits überschwänglich – Mami! Mami!
    »Wo warst du denn? Wo warst du denn, du böser Junge, du böser, böser Duddits!«
    Sie treffen aufeinander, und Duddits ist so viel kräftiger gebaut – und auch ein paar Zentimeter größer –, dass Biber zusammenzuckt und schon erwartet, dass die zierliche Frau gleich umgeworfen wird, so wie der Coyote in den Roadrunner-Trickfilmen immer geplättet wird. Doch stattdessen hebt sie ihn hoch und wirbelt ihn herum, seine Füße mit den Turnschuhen fliegen hinter ihm her, und er strahlt vor freudiger Verzückung übers ganze Gesicht.
    »Ich wollte eben schon die Polizei anrufen, du schlimmer, böser Zuspätkommer, du schlimmer, böser D…«
    Da sieht sie Biber und seine Freunde und setzt ihren Sohn ab. Ihr erleichtertes Lächeln ist verschwunden; sie ist ganz ernst, als sie über das Himmel-und-Hölle-Spielfeld irgendeines kleinen Mädchens auf sie zugeht – so grausam es ist, denkt Biber, nicht mal das wird Duddits je verstehen. Tränen schimmern noch auf ihren Wangen, schimmern im Licht der Sonne, die endlich durch die Wolken gedrungen ist.
    »Au Backe«, sagt Pete. »Jetzt kriegen wir was zu hören.«
    »Immer cool bleiben«, flüstert Henry hastig. »Lasst sie schimpfen. Ich erkläre das dann.«
    Aber da haben sie Roberta Cavell falsch eingeschätzt – haben sie eingeschätzt wie so viele andere Erwachsene, die Jungen ihres Alters anscheinend grundsätzlich für schuldig halten, bis das Gegenteil bewiesen ist. Roberta Cavell ist nicht so, und ihr Mann Alfie auch nicht. Die Cavells sind anders. Duddits hat dafür gesorgt, dass sie anders sind.
    »Jungs«, sagt sie wieder. »Ist er vom Weg abgekommen? Hat er sich verlaufen? Ich habe solche Angst, ihn allein gehen zu lassen, aber er will es so, damit er ein richtiger Junge ist …«
    Sie gibt Biber einen kräftigen Händedruck mit der einen und Pete mit der anderen Hand. Dann lässt sie sie los, nimmt Jonesys und Henrys Hand und unterzieht sie der gleichen Prozedur.
    »Ma’am …«, setzt Henry an.
    Mrs. Cavell sieht Henry sehr konzentriert an, als versuche sie, seine Gedanken zu lesen. »Nicht einfach nur verlaufen«, sagt sie. »Und auch nicht einfach nur vom Weg abgekommen.«
    »Ma’am …« Henry versucht es erneut und gibt es dann auf, ihr irgendwas vorzumachen. Es ist Duddits’ grünäugiger Blick, der da aus ihrem Gesicht zu ihm hochschaut, bloß eben intelligent und aufmerksam und kritisch. »Nein, Ma’am.« Henry seufzt. »Nicht einfach nur vom Weg abgekommen.«
    »Normalerweise kommt er nämlich gleich nach Hause. Er sagt, er kann sich nicht verlaufen, denn er sieht ja die Linie. Wie viele waren es?«
    »Ach, ein paar«, sagt Jonesy und wirft Henry hastig einen Blick zu. Neben ihnen hat Duddits auf dem Rasen des Nachbarn ein paar letzte Pusteblumen entdeckt, liegt jetzt auf dem Bauch, pustet drauf und sieht zu, wie die flauschigen Samen im Wind davonsegeln. »Ein paar Jungs haben ihn geärgert, Ma’am.«
    »Große Jungs«, sagt Pete.
    Wieder schaut sie sie aufmerksam an, erst Jonesy, dann Pete, dann Biber und dann wieder Henry. »Kommt doch mit uns ins Haus«, sagt sie. »Ich will alles darüber hören. Duddits trinkt nachmittags immer ein großes Glas ZaRex – das ist sein Lieblingsgetränk –, aber ihr mögt ja bestimmt lieber Eistee, nicht wahr?«
    Die drei schauen Henry an, der es sich überlegt und dann nickt. »Ja, Ma’am. Eistee wäre prima.«
    Und so führt die Frau sie zu dem Haus, in dem sie in den nächsten Jahren so viel Zeit verbringen werden – dem Haus Maple Lane Nr. 19 –, aber eigentlich ist es Duddits, der sie da anführt, hüpfend und tanzend, und dabei seine gelbe Scooby-Doo-Lunchbox manchmal über den Kopf hält, und dabei fällt Biber auf, dass er ganz gerade, immer im gleichen Abstand zum Grünstreifen zwischen Gehsteig und Straße geht. Jahre später, nach der Sache mit der kleinen Rinkenhauer, wird er darüber nachdenken, was Mrs. Cavell gesagt hat. Sie alle werden darüber nachdenken. Er sieht die

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