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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Chemotherapie? Ja, eine große, hoch dosierte radioaktive Injektion. Es war die Stimme, dachte Henry, eines Wahnsinnigen. Von denen hatte er, weiß Gott, genug erlebt, um das beurteilen zu können.
    Die anderen Stimmen waren es, die ihn an seiner eigenen geistigen Gesundheit zweifeln ließen. Er kannte sie nicht alle, aber einige kannte er durchaus: Walter Cronkite, Bugs Bunny, Jack Webb, Jimmy Carter, eine Frauenstimme, die sich sehr nach Margaret Thatcher anhörte. Die Stimmen sprachen abwechselnd englisch und französisch.
    »II n’y a pas d’infection ici«, sagte Henry und fing dann an zu weinen. Er war erstaunt darüber und berauscht davon, dass er immer noch Tränen aufbringen konnte, wo er doch schon gedacht hatte, alle Tränen und alles Gelächter – alles wahre Gelächter – hätten ihn verlassen. Tränen des Entsetzens, Tränen des Mitleids, Tränen, die den steinigen Boden der zwanghaften Nabelschau aufweichten und den Fels darunter sprengten. »Wir haben nichts Ansteckendes, bitte, o Gott, hört auf, nicht, nicht, sommes sans défense, NOUS SOMMES SANS …«
    Und dann begann im Westen der Donner von Menschenhand, und Henry hielt sich den Kopf und hatte das Gefühl, die Schreie und Schmerzen darin würden ihn zum Platzen bringen. Diese Schweine –

5
    Diese Schweine schlachteten sie ab.
    Pete saß am Feuer, achtete nicht auf die brüllenden Schmerzen in seinem lädierten Knie und auch nicht darauf, dass er den brennenden Ast nun auf Schläfenhöhe hielt. Die Schreie in seinem Kopf konnten das Maschinengewehrfeuer im Westen nicht ganz übertönen. Es waren schwere Maschinengewehre, Kaliber 50. Jetzt gingen die Schreie – tut uns bitte nichts, wir sind wehrlos, wir haben nichts Ansteckendes – in Panik über; es half nichts, nichts half mehr, die Sache war erledigt.
    Pete nahm eine Bewegung wahr und drehte sich eben in dem Moment um, als das Ding, das auf dem Dach gewesen war, auf ihn losging. Verschwommen sah er einen schlanken, wieselartigen Leib, den anscheinend ein muskulöser Schwanz und nicht irgendwelche Beine fortbewegten, und dann verbiss es sich in seinen Fußknöchel. Er kreischte auf und riss sein gesundes Bein so abrupt hoch, dass er sich fast das Knie unters Kinn gerammt hätte. Das Ding kam mit, hing an ihm fest wie ein Blutegel. Das waren die Viecher, die um Gnade flehten? Da war drauf geschissen, wenn die das waren. Die konnten was erleben!
    Spontan packte er das Ding mit der rechten Hand, mit der er sich auch an der Bud-Flasche geschnitten hatte; die Fackel hielt er weiter mit der gesunden Linken neben seinem Kopf. Er bekam etwas zu greifen, das sich wie kaltes, pelziges Gelee anfühlte. Das Ding ließ augenblicklich von seinem Knöchel ab, und Pete erhaschte einen kurzen Blick auf ausdruckslos blickende Augen – Haiaugen, Adleraugen –, ehe es das Nadelkissen seiner Zähne in Petes Hand versenkte und sie an der alten Schnittwunde entlang weit aufriss.
    Dieser Schmerz war wie das Ende der Welt. Der Kopf des Dings – wenn es denn einer war – verbiss sich in die Hand, riss sie auf, zerfetzte sie, grub sich förmlich hinein. Blut spritzte fächerförmig, als Pete versuchte, es abzuschütteln, spritzte auf den Schnee und die mit Sägemehl überzogene Plane und den Mantel der toten Frau. Tropfen flogen auch ins Feuer und zischten auf wie Fett in einer heißen Pfanne. Jetzt gab das Vieh ein wildes, schnatterndes Kreischen von sich. Sein Schwanz, so dick wie der Leib einer Muräne, umschlang Petes herumwirbelnden Arm und versuchte ihn ruhigzustellen.
    Pete setzte die Fackel nicht bewusst ein, denn er hatte sie ganz vergessen; er dachte nur noch daran, mit der linken Hand dieses entsetzliche beißende Vieh von seiner rechten Hand loszureißen. Als es dann Feuer fing und aufloderte, so heiß und hell wie eine Rolle Zeitungspapier, verstand er erst gar nicht, was da vor sich ging. Dann schrie er, vor Schmerz, aber auch vor Triumph. Er sprang auf und kam auf die Beine – zumindest vorläufig tat sein geschwollenes Knie überhaupt nicht mehr weh – und schwang seinen rechten Arm mit dem Vieh daran in einer weit ausholenden Bewegung gegen einen Stützpfosten des Unterstands. Es krachte, und statt des schnatternden Kreischens war nun ein gedämpftes Quietschen zu hören. Einen endlosen Moment lang vergrub sich dieser Knoten aus Zähnen nur noch tiefer in seiner Hand. Dann ließ es davon ab, und das brennende Wesen löste sich und fiel auf den gefrorenen Boden. Pete trampelte darauf herum,

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