Duddits - Dreamcatcher
Er konnte immer nur eines ihrer Augen sehen, wusste aber nicht, ob es dasselbe war wie zuvor. Ihr Blick kam ihm nicht mehr so unheimlich vor, aber vielleicht lag das auch daran, dass er jetzt andere Sorgen hatte. Das Feuer zum Beispiel. Es flackerte zwar nur noch, hatte aber noch tüchtig Glut, und er kam wohl gerade noch rechtzeitig. Leg etwas Holz nach, Baby, schür es ordentlich und leg dich dann zu dieser Becky (aber bitte gegen den Wind, diese Knatterfürze waren wirklich schlimm). Warte ab, bis Henry wiederkommt. Wäre nicht das erste Mal, dass ihm Henry die Kastanien aus dem Feuer holte.
Pete krabbelte auf die Frau und den kleinen Holzhaufen hinter ihr zu, und als er ihr nahe kam – nahe genug, um wieder diesen ätherartigen chemischen Gestank wahrzunehmen –, verstand er, warum ihr Blick ihn nicht mehr störte. Dieser unheimliche Blick wie von einem Auto war erloschen. Wie die ganze Frau. Sie war halb ums Feuer herum gekrochen und dort gestorben. Die Schneeschicht auf ihrer Taille und Hüfte war dunkelrot.
Pete hielt einen Moment lang inne, auf seine schmerzenden Arme gestützt, und schaute sie an, aber er hatte an ihr, ob nun tot oder lebendig, nicht mehr Interesse als an seiner rückwärts gehenden Armbanduhr. Er wollte einzig und allein etwas Holz auf das Feuer legen und sich wärmen. Über die Frau konnte er immer noch nachdenken. Nächsten Monat vielleicht, wenn er mit einem Gipsverband ums Knie und einer Tasse heißen Kaffee bei sich zu Hause im Wohnzimmer saß.
Er schaffte es bis zum Holz. Nur noch vier Stücke waren übrig, aber es waren große Stücke. Henry würde bestimmt zurück sein, bevor sie niedergebrannt waren, und würde Nachschub sammeln, ehe er weiterfuhr, um Hilfe zu holen. Der gute alte Henry. Trug immer noch seine beknackte Hornbrille, und das im Zeitalter von weichen Kontaktlinsen und Laserchirurgie. Aber man konnte sich auf ihn verlassen.
Petes Gedanken wollten schon zum Scout zurückkehren, wie er da in den Wagen gekrochen war und Henrys Parfüm gerochen hatte, das Henry gar nicht getragen hatte, aber das ließ er nicht zu. Wir gehen da nicht hin, wie die Kinder immer sagten. Als wäre die Erinnerung ein Ort. Kein Geister-Parfüm mehr und keine Erinnerungen an Duddits. Kein Prall mehr und kein Spiel. Er hatte schon genug am Hals.
Er warf Ast um Ast ins Feuer, hantierte dabei unbeholfen mit dem Holz, zuckte zusammen, wenn sein Knie wieder schmerzte, und freute sich daran, wie die Funken wie verrückte Glühwürmchen unter das schräg stehende Wellblechdach des Schuppens wirbelten, ehe sie verglommen.
Henry würde bald wieder da sein. An diesem Gedanken musste man sich festhalten. Einfach nur zusehen, wie das Feuer aufloderte, und sich an diesem Gedanken festhalten.
Nein, er kommt nicht wieder. Denn in der Hütte ist was Schreckliches passiert. Es hat etwas zu tun mit –
»Rick«, sagte er und sah zu, wie die Flammen über das frische Holz leckten. Bald würden sie es fressen und groß und stark davon werden.
Er zog sich die Handschuhe aus, half dabei mit den Zähnen nach und wärmte sich die Hände am Feuer. Die Schnittwunde an seinem rechten Handballen, wo ihn die zerbrochene Flasche erwischt hatte, war lang und tief. Da würde eine Narbe zurückbleiben, aber na und? Was waren schon ein, zwei Narben unter Freunden? Und sie waren doch Freunde, nicht wahr? Ja. Die alte Kansas-Street-Gang, die roten Korsaren, mit ihren Plastikschwertern und batteriebetriebenen Krieg-der-Sterne-Laserkanonen. Einmal hatten sie etwas Heldenhaftes getan – zweimal, wenn man das mit der kleinen Rinkenhauer mitzählte. Damals war sogar ein Foto von ihnen in der Zeitung gewesen. Was machten da schon ein paar Narben? Und was machte es schon, dass sie einmal vielleicht – und nur vielleicht – jemand umgebracht hatten? Denn wenn jemand den Tod verdient hatte, dann –
Aber dorthin würde er auch nicht gehen. Vergiss es, Baby.
Aber er sah die Linie. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, er sah die Linie, deutlicher als seit Jahren. Vor allem sah er Biber … und hörte ihn auch. Mitten im Kopf.
Jonesy? Bist du da, Mann?
»Nicht aufstehen, Biber«, sagte Pete und sah zu, wie die Flammen prasselnd größer wurden. Das Feuer war jetzt heiß, schlug ihm Wärme ins Gesicht, lullte ihn ein. »Bleib, wo du bist. Einfach nur … na, du weißt schon: schön sitzen bleiben.«
Was war denn hier los? Was soll das Jobba-Nobba hier?, wie der Biber manchmal gefragt hatte, als sie noch Kinder waren, ein
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