Duddits - Dreamcatcher
Nonsenssatz, bei dem sie immer lachen mussten. Pete ahnte, dass er es erfahren konnte, wenn er denn wollte, so leuchtend hell war die Linie. Er erhaschte einen Blick auf blaue Fliesen, einen hauchdünnen blauen Duschvorhang, eine leuchtend orangefarbene Mütze – Ricks Mütze, McCarthys Mütze, die Mütze von Mr. Siehe-ich-stehe-an-der-Tür – und ahnte, dass er auch alles Übrige erfahren konnte, wenn er denn wollte. Er wusste nicht, ob es die Zukunft war, die Vergangenheit oder das, was genau in diesem Augenblick geschah, aber er konnte es erfahren, wenn er denn –
»Aber ich will nicht«, sagte er und schob es beiseite.
Es waren nur noch ein paar Stöcke und Zweige übrig. Pete legte sie ins Feuer und betrachtete dann die Frau. Ihr offenes Auge hatte nichts Beängstigendes mehr an sich. Ihr Blick war trüb, wie bei einem eben erlegten Hirsch. Das ganze Blut um sie herum … Vermutlich war sie verblutet. Irgendwas in ihr war geplatzt. So was Dummes aber auch. Vermutlich hatte sie so was geahnt und sich auf die Straße gesetzt, damit sie gesehen wurde, wenn jemand vorbeikam. Und es war jemand vorbeigekommen, und jetzt schau sich einer an, was dabei herausgekommen war. Das arme Dreckstück. Die arme dumme Sau.
Pete lehnte sich vorsichtig nach links, bis er den Rand der Plane zu fassen bekam, und beugte sich dann wieder vor. Die Plane war ihr improvisierter Schlitten gewesen; nun konnte sie ihr provisorisches Leichentuch sein. »Tut mir leid«, sagte er. »Becky oder wie immer du auch heißt, es tut mir wirklich leid. Aber ich hätte dir auch nicht helfen können, wenn ich hier geblieben wäre, weißt du; ich bin kein Arzt; ich bin bloß ein jämmerlicher Autoverkäufer. Du warst sowieso …«
Von Anfang an im Arsch, hatte er schließen wollen, aber das blieb ihm im Halse stecken, als er sie von hinten sah. Ihre Rückseite hatte er nicht sehen können, bis er näher gekommen war, denn sie war mit dem Gesicht zum Feuer gestorben. Ihr Hosenboden war aufgeplatzt, als hätte sie es aufgegeben, Gase zu furzen, und wäre zu Dynamit übergegangen. Jeansfetzen flatterten im Wind. Und außerdem flatterten da auch Fetzen der Kleidungsstücke, die sie darunter trug, mindestens zwei lange Unterhosen – eine aus weißem Doppelripp, die andere aus lila Seide. Und etwas wuchs auf ihren beiden Hosenbeinen und hinten auf ihrem Mantel. Es sah wie Mehltau aus oder wie eine Art Pilz. Es war rotgolden, aber vielleicht war das auch nur der Widerschein des Feuers.
Etwas war aus ihr herausgeplatzt. Etwas –
Ja. Etwas. Und das beobachtet mich jetzt.
Pete sah hinüber in den Wald. Nichts. Es kamen keine Tiere mehr. Er war allein.
Nein, bin ich nicht.
Nein, war er nicht. Etwas war da draußen, etwas, dem die Kälte nicht bekam, etwas, das es lieber feuchtwarm hatte. Nur dass –
Nur dass es zu groß geworden ist. Und es nichts mehr zu fressen hatte.
»Bist du da irgendwo?«
Pete dachte, er würde sich bescheuert dabei vorkommen, so etwas zu rufen, aber so war es nicht. Vielmehr ängstigte es ihn nur noch mehr.
Sein Blick blieb an einer schwachen Spur aus diesem mehltauartigen Zeug hängen. Sie führte von Becky fort – ja, sie hieß Becky, na klar, wer so aussah, musste einfach Becky heißen – und hinter den Unterstand. Einen Augenblick später hörte Pete ein schuppiges Kratzen, und etwas glitt über das Wellblechdach. Er richtete sich auf und schaute in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
»Hau ab«, flüsterte er. »Hau ab, lass mich in Ruhe. Ich bin … Ich bin im Arsch.«
Dann hörte man das Ding noch kurz das Wellblechdach hochrutschen. Ja, er war im Arsch. Aber dummerweise war er auch essbar. Das Ding da oben rutschte weiter. Vermutlich würde es sich nicht lange gedulden, konnte sich gar nicht lange gedulden; es war wie ein Gecko in einem Kühlschrank. Es würde sich auf ihn stürzen. Und jetzt fiel es ihm siedend heiß ein: Er war so auf das Bier fixiert gewesen, dass er die Waffen völlig vergessen hatte.
Sein erster Impuls bestand darin, tiefer in den Unterstand hineinzukriechen, aber das konnte sich als Fehler erweisen, als Sackgasse. Stattdessen packte er das hervorstehende Ende eines Astes, den er gerade ins Feuer gelegt hatte. Er zog ihn nicht heraus, noch nicht, hielt ihn nur fest. Das andere Ende brannte lichterloh. »Komm doch her«, sagte er zum Wellblechdach hinauf. »Du hast es gern warm? Ich hab hier was Warmes für dich. Komm und hol’s dir. Leckerlecker.«
Keine Reaktion. Jedenfalls nicht
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