Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
zurückgebliebene purpurne Beeren herauszuschütteln. Sie wußte, daß er darüber nachdachte, was vor und was hinter ihnen lag. Sie stellte die Stiefel neben sich und zog den Brustbeutel auf. Als sie das Silberdöschen herausholte, betrachtete sie Hern, wie er das Land beobachtete.
Was verändert sich in mir?
dachte sie.
Was wird nun?
Sie rollte ihre ausgefransten Hosen über die Knie und zog die Stiefel an. Er trat einen losen Stein über den Rand und schaute ihm nach, wie er hinabhüpfte und ab und zu mit gedämpftem Ton auf den Wegbiegungen aufschlug. Serroi fuhr mit dem Daumen über das mattierte Silber des Döschens, preßte die Lippen aufeinander und machte es auf. Sie nahm den Tajicho heraus, hielt ihn in der Hand, bis er warm wurde und zu glühen begann. Ihr kam es so vor, als hätte er schon ein halbes Dutzend Mal Leben und Verstand gerettet, dennoch bekam sie allmählich ein wenig Angst davor, Angst vor den Veränderungen, die er in ihr auslösen mochte. Sie spürte, wie seine Ausstrahlung ihr in die Knochen drang und empfand ein eigenartiges Durcheinander in ihrem Kopf. Hern trat fort vom Rande der Böschung und kam zu ihr zurück. »Es ist ein langer Abstieg. Wir sollten uns lieber auf den Weg machen.«
»Gleich.« Sie steckte den Tajicho in ihre Stiefeltasche und klemmte den Speer unter den Arm. Sie schaute das Silberdöschen an und streckte die Hand aus, damit Hern sie hochzog. Als ,er sich an den Abstieg auf dem bröckeligen Weg machte, wobei er die Stelle vor sich mit der Speerspitze erst prüfte, warf sie noch einen Blick auf die Silberdose, zuckte mit den Achseln und schleuderte sie weit von sich, daß sie mit einem verblassenden Funkeln auf die Hügel weit unten zuflog.
Der Abstieg war eher anstrengend als schwierig – sie kamen nur langsam voran. Es war schon später Nachmittag, als sie am Fuße der Böschung angelangten. Sie schlugen den Weg nach Osten durch buschbewachsene Bodenerhebungen ein, die nicht ganz den Namen Hügel verdienten. Dort fiel das Land ziemlich steil zu der stark kultivierten Flußebene ab.
Sie gingen schweigend und mit einem kleinen Abstand voneinander, denn keiner der beiden hatte Lust zu reden oder suchte die Nähe des anderen. Hern war damit beschäftigt, sich wieder in den Mann zu verwandeln, der er seit über dreißig Jahren zu sein glaubte. Er fühlte sich ohne dieses Ich unbehaglich und versuchte seine wachsende Feinfühligkeit zu verstecken, wie eine Frau ihre widerspenstigen Locken unter einer Haube. Gegen Ende des Tages befanden sie sich mitten zwischen den kleinen Anhöhen, waren hungrig, durstig und müde. Währe Serroi ihre Stiefel von den Füßen schleuderte und nach Wasser suchte, zog Hern mit seinem Speer davon, um Zipfler, Wildodats oder anderes Niederwild aufzuspüren. Da das Wasser sehr tief lag, kostete es sie mehr Energie, als ihr lieb war, es an die Oberfläche zu ziehen. Sie kniete sich neben die kalten, schmalen Rinnsale, trank, bis sie sich wie aufgebläht fühlte und spritzte sich das eiskalte Wasser ins Gesicht. Dann zog sie ihre Stiefel wieder an, stocherte ziellos nach eßbaren Wurzeln und fragte sich dabei, ob ihr vegetarisches Leben nun endlich ein Ende hatte. Bei dem Gedanken an ein heißes, saftiges Stück gebratenes Zipflerfleisch lief ihr das Wasser im Munde zusammen.
Nachdem sie ein paar ausgedörrte Wurzeln ausgegraben hatte, entdeckte sie ein altes Oadatnest in einem ausgehöhlten Gebüsch. Eier befanden sich keine darin, dazu war es schon viel zu spät im Jahr. Als sie mit dem Zeh daranstieß, hörte sie Oadats im Gebüsch scharren und einander mit hohen, nervösen Stirnmen zuplappern. Sie richtete sich auf und kratzte sich nachdenklich im Rücken.
Die kleine Schar watschelte nicht weit von ihr auf der linken Seite aus einem Strauch. Es waren etwa ein Dutzend, davon vier kleiner als die übrigen, und sie alle traten mit ein, zwei kräftigen Stößen der mächtigen Hinterläufe die Grasdecke beiseite. Sie scharrten mit den zierlichen Vorderfüßen durch Rindenreste, Laub und kleine Stöckchen auf der Jagd nach Maden, Würmern und Samen. Sie beobachtete, wie sie sich näher an sie heranarbeiteten und scheu auswichen, als sie an ihr vorüberzogen. Da sie aber ganz still stehenblieb, ergriffen sie nicht die Flucht. Mehrere hockten sich auf ihre Stummelschwänze, zogen die häutigen Vorderpfötchen an und stützten die krallenbewehrten Füße gegen die vorgewölbten Knie. Sie drehten die wackligen Köpfe auf dünnen, nackten
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