Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
weiter herab, um sie besser in Augenschein nehmen zu können. »Du siehst schlimm aus. Was ist los?«
Sie schnitt eine Grimasse. »Ich habe den ganzen Tag nichts zu essen bekommen und bin mit zehn Hieben ausgepeitscht worden.«
Teras zuckte zurück. Er starrte zum Wachturm des Zentrums, der die Baumkronen überragte. Sein Gesicht war hart und der Blick in seinen Augen so glasig, daß Tuli es fast mit der Angst bekam.
»Nichts Besonderes«, sagte sie rasch. »Ich bin nur müde und hungrig.« Sie kicherte. »Teras, das hättest du sehen müssen. Ich habe mein ganzes Putzwasser über Alma Yastria ausgekippt. Was sie mit mir machten, war nichts gegen ihr dummes Gesicht.«
Teras wurde etwas gelöster. Eine Weile später grinste er. »Das hätte ich gern gesehen.«
Tuli ging weiter und machte sich gereizt los, als Teras ihren Arm nehmen wollte. »Ich kann es nicht ausstehen, wenn Leute an mir herumhängen«, sagte sie. »Sogar bei dir, Bruder.« Sie ging schweigend neben Teras her, bis sie den alten Kornspeicher in rötlichem Lichtschein sah. »Schon wieder ein Tilun?« »Ja. Deshalb ist Hars auch über den Fluß. Es hat ihn nervös gemacht.« Teras schüttelte den Kopf. »Als wir das letzte Mal hierher kamen, war alles ganz anders. Drei Tage ist das nun her – nein, vier. Kannst du glauben, was inzwischen alles geschehen ist?«
Tuli zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht. »Ich habe allen Grund, es zu glauben.«
Hars saß mit dem Rücken an der dicken, furchigen Rinde eines alten Brellims und beobachtete das Wasser, das zu seinen Füßen vorüberrauschte. Sechs Macain standen mit gefesselten Läufen im Schatten des Brellimhains, sie waren unzufrieden und nervös, widersetzten sich jedoch nicht ihrer Ausbildung, dort stehenzubleiben, wo er sie ließ. Fünf waren gesattelt, und das sechste trug ein hohes, rundgeschnürtes Bündel, dessen Inhalt diskret unter einer gefalteten Plane verborgen blieb. Von seinem Beobachtungspunkt im tiefen Schatten hinter dichtem Blattwerk konnte er unbemerkt jeden sehen, der über die Brücke kam. Er rief die Zwillinge mit seinem Kankapassarpfiff zu sich und wirkte nicht sonderlich überrascht, daß nur Tuli mit Teras gekommen war.
Tuli blieb ein paar Schritte zurück, als Teras an den Macain vorbeiglitt und auf Hars zueilte. »Mama und Sani kommen nicht mit.«
»Besonders klug, deine Ma.« Er stand rasch und geschmeidig auf und überraschte damit Tuli, die ihn immer als klapprigen, alten Mann gesehen hatte. Sein Haar war weiß, und das schon solange sie denken konnte. Er war gebückt und knorrig, so zäh wie ein jahrhundertealter Olivenbaum, und wirkte manchmal älter als die Erde selbst. Heute abend im Mondschein sah er anders aus. Lebendiger, vielleicht? Jünger? Tuli wußte nicht, was es war, aber es gefiel ihr ziemlich gut. Sie hatte so ein Gefühl, als wäre er wie sie ein Nachtmensch. Plötzlich lächelte er ihr zu. Dieses breite, verstehende Lächeln sagte ihr, daß er ihre Gedanken und Gefühle erriet. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, mit einer anderen Person hätte das ihren Zorn auflodern lassen, nun jedoch (und ihr war nicht klar, warum) bedeutete es einen Segen, ein Lächeln der Jungfrau, das auf seinem wettergegerbten Gesicht erstrahlte. Sogleich war der Ausdruck wieder verflogen, und er zupfte an seinem Ohrläppchen und richtete den Blick auf die überflüssigen Macain. »Am besten holt ihr eure Mam und Sani später ab, wenn schon eine Unterkunft für sie vorbereitet ist.« Er machte Halteleinen an den Halftern der zwei freien Reittiere fest und band ihre Zügel hoch, damit sie nicht darüber stolperten. »Teras-Junge, sag deinem Pap, er soll an das Tal denken, wo wir einst einen Regenguß abgewartet haben.«
»Was?«
»Dein Pap wird Bescheid wissen.« »Kommst du denn nicht mit?«
»Ich wäre mitgekommen, wenn die Tarma auch mitritte.« Er befestigte die Zügel an einem Ring auf seinem Sattel. »Nun ist die Sache anders.« Seine kurzen, starken Finger arbeiteten flink an den Schnallen der linken Satteltasche. Er öffnete die Tasche und zog ein zusammengerolltes, schwarzes Bündel hervor. »Eure Schwester hat das Haus für den Tilun geräumt. Das hier ist für dich. Nachtschwärmer.« Wieder lächelte er Tuli kurz an. »Du kannst unmöglich in diesem Zeug reiten.« Sein Daumen zuckte zu dem langen Rock, der um ihre Beine flatterte. »Dir würde der Hintern schon nach einer Meile wehtun.« Tuli nahm das Bündel und lachte erfreut auf, als sie
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