Duell der Magier 02 - Die Bahn der magischen Monde
lesen, doch sie hörte nicht außer den üblichen Nachtgeräuschen.
»Tuli?«
Sie sank auf die Fersen und drehte sich langsam zu Mutter und Schwester um. Nach einem Blick auf Annics besorgtes Gesicht, rieb sie sich fest die Augen und grinste dann ihre Mutter an. Sie grinste wie ein Idiot und wußte es, kam aber nicht dagegen an. Am liebsten hätte sie in die Hände geklatscht und herumgetanzt, um ihre Spannung mit lauten Schreien abzubauen. Mi einiger Mühe unterdrückte sie ihren Freudenausbruch und sagte einigermaßen ruhig: »Das war Teras. Er holt uns hier raus.«
Annic trat neben Sanani, legte ihr den Arm um die Schultern und runzelte ein wenig die Stirn. Ihre Augen glitzerten nachdenklich, aber sie schwieg.
Sanani lehnte sich gegen ihre Mutter und drückte Annics Hand auf ihrer Schulter. »Er holt uns heraus, Tuli?« Als Tuli nickte sagte sie: »Wohin will er uns denn bringen?«
»Fort von hier, wohin ist doch gleichgültig.« Tuli hob ein Hand und machte eine ungeduldige Geste, als wollte sie Spinn-, weben vor sich wegwischen. »Überall ist es besser als hier.« »Für dich schon.« Sanani sprach langsam, wählte bedachtsam jedes ihrer Worte, betrachtete Tuli genau und versuchte abzuschätzen und zu erwägen, was sie darin sah. »Für mich und Mama ist das anders, Tuli.« Sie tätschelte die Hand ihrer Mutter. »Ich bin nicht wie du, jüngere Schwester. Ich fühle mich wohl beHausarbeiten und ich fühle mich wohl in Gesellschaft- von Menschen. Ich kann sie leiten und dafür sorgen, daß Sie glücklich sind.« Sie lächelte, und ein herzlicher, strahlender Blick kroch in Tuli und verscheuchte ein wenig die in ihr wachsende Spannung, so daß sie Sananis Erheiterung fast nachempfinden konnte. »Das alles sind Dinge, die so nicht für dich gültig sind, Schwester.« SananHob die Hand in einen kleinen Mondstrahl, der durchs Fenster fiel. »Sieh dir meine Hand an, Tuli. Was habe ich mit ihr geleistet? Ich habe niemals den Wunsch verspürt, über die nächtlichen Felder zu streifen wie du und Teras. Natürlich wußten wir es, wir wußten es immer, aber was war schon dabei? Ich kann nicht reiten, Tuli. Macain jagen mir Angst ein. Ich kann ganz gut laufen, aber das wird nicht ausreichen, wenn die Gardisten hinter uns her sind. Ich weiß nicht, wie das mit Mama ist...« Sie zögerte.
»Mein letzter Ritt liegt sehr lange zurück«, murmelte Annic. »Ich glaube nicht, daß ich es noch kann.«
Sanani nickte. »Verstehst du?« Sie seufzte. »Überleg mal, Schwester, was könnten sie mir hier schon anhaben? Manchmal überkommt mich die Ungeduld, aber die widerliche Arbeit, die sie uns verrichten lassen, macht mir nichts aus. Wohl aber... wohl aber macht es mir etwas aus, wenn ich an Joras denke, daß ich ihn nicht sehen kann und wir nicht wie geplant nächstes Frühjahr heiraten können. Ich mache mir Sorgen um Cymbank und die Häusler, die man von ihrem Land vertrieben hat. Ich sorge mich um Vater und meine Oadats, besonders die gerade geschlüpften. Ich finde es abscheulich, was sie mit dem Jungfrauenschrein angestellt haben. Aber, Tuli .« Sie seufzte. »Ich bin nicht wie du. Ich erzürne mich nicht über die gleichen Dinge und auf dieselbe Weise. Wenn Yastria oder die anderen Wärterinnen auf mich einreden, mich schelten oder ausfallend werden, dann verschließe ich einfach meine Ohren dagegen. Dann denke ich an Joras oder meine frisch geschlüpften Oadats. Ich erinnere mich, wie sie wie kleine, graue Daunenbällchen umhertappten, ungeschickt mit allen vieren Staub scharrten oder über ihre eigenen Füße stolperten, wie ihre kleinen Knopfaugen hervortraten und ihre weiche Schnäbel auf- und zuklappten, als sagten sie die schlimmste Schimpfwörter, und doch brachten sie keinen Ton heraus Heute morgen habe ich Yastria fast ins Gesicht gelacht. Sie sieht doppelt so dumm aus wie ein Oadatküken, wenn ihre Lippen zucken und sie nicht die richtigen Worte findet. Es is mir gleichgültig, welche Arbeiten sie mir zumuten, Tuli, si werden niemals Hand an das legen können, was mich wirklich ausmacht.«
Annic kicherte. »So erging es auch meinen Predigern.« Sanani lehnte den Kopf an die Schulter ihrer Mutter. »Es war so ein gutes Training!«
Tuli starrte die beiden an und empfand plötzlich einen Stich Eifersucht. Dann mußte sie an Nilis' Worte denken, riß die Augen weit auf und sah mit einer übelkeiterregenden Veränderung des Blickpunktes, was Nilis' ihr Leben lang empfunden hatte. Tuli schüttelte sich angewidert
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