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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Schuss auf Ruven abfeuern. Ruven würde jedoch damit rechnen. Es gab kein Überraschungsmoment. Ruven hatte außerdem den Finger am Abzug und wäre in jedem Fall schneller. Er hatte zwei Schüsse, bevor er nachladen musste. Schon eine einzelne Ladung könnte sowohl ihn selbst als auch Femke erwischen. Das Risiko war zu groß. Also legte er das Telefon auf den Boden, gab ihm einen Schubs und ließ es auf Ruven zuschlittern. Dann griff er die Walther mit spitzen Fingern und warf sie ins Meer. Femkes entgeisterter Blick entging ihm nicht.
    »Guter Mann«, sagte Ruven. Er ging in die Hocke, ohne den Gewehrlauf und den Blick von Tjark abzuwenden, steckte das Telefon ein und stellte sich wieder aufrecht hin.
    »Ruven«, sagte Femke mit bebender Stimme. »Du musst aufgeben. Du hast keine Chance.«
    Als Antwort kam ein Lachen. »Doch. Ihr zwei werdet jetzt gleich der Waffe folgen. Ich hingegen werde davonsegeln und mich überraschen lassen, wohin der Wind mich treibt.«
    »Es sind Hubschrauber unterwegs«, sagte Tjark. »Es sind Boote draußen. Du wirst nicht weit kommen.«
    »Die suchen aber nicht mich. Ich habe also einen Vorsprung von einigen Stunden – zumindest so lange, bis eure Leichen angespült werden und man dann eins und eins zusammenzählt.«
    Tjark versuchte zu schlucken. Der Gedanke an die Wellen und das eiskalte Meer ließen ihn zittern. Dann, mit einem Mal, war das Zittern verschwunden, und er spürte, dass sein Blutdruck fiel und der Schwindel verschwand. Es war, als wäre der Flächenbrand in ihm von einer Explosion gelöscht worden, als wäre die Furcht vor dem Tod der sicheren Gewissheit des Endes gewichen – und damit alle Angst verflogen. Ruhig sagte er: »Man wird dich finden. Also kannst du aufgeben.«
    »Besser später als früher. Und jetzt aufstehen, alle beide.«
    »Bleib sitzen«, flüsterte Tjark Femke zu. »Spiel auf Zeit.« Es war ihre einzige Möglichkeit. Was auch immer sich in dieser Zeit ereignen mochte.
    »Warum tust du das, Ruven?«, fragte Femke.
    »Warum?« Er lachte laut und nahm das Gewehr in Anschlag, um damit auf Femke zu zielen. »Deinetwegen.«
    »Wenn du mich erschießt«, sagte sie mit brechender Stimme, »machst du alles nur noch schlimmer.«
    »Es wird immer erst schlimmer, bevor es besser wird.« Er lachte verbittert.
    »Warum hast du die Frauen getötet? Wie kann es sein, dass ich nichts gemerkt habe? Wie konntest du mir so lange etwas vorspielen?«
    »Einen Scheiß habe ich!« Jetzt schrie Ruven. »Du warst die Einzige, bei der ich je etwas empfunden habe, Femke! Ich habe dich geliebt und tue es immer noch! Und was hast du getan? Abserviert hast du mich!«
    »Ruven, ich …« Femke hob beschwörend die Hände.
    »Eiskalt abserviert!« Er griff das Gewehr fester. »Nachdem du Schluss gemacht hattest, griff ich bei Mommsen zufällig eine auf. Sie stand draußen im Nebel und wartete auf ein Taxi. Ich nahm sie mit, wollte ein wenig Sex mit ihr und ein paar schmutzige Dinge ausprobieren, die ich mit dir nie anstellen konnte – aber vor allem wollte ich Liebe, Femke! Liebe, die du mir entzogen hattest! Gut, da hatte ich mich in der Frau getäuscht, und alles lief ein wenig aus dem Ruder, als ich wütend wurde.«
    »Du hast Menschen getötet, Ruven!«
    »Alles nur deinetwegen! Das wäre alles nicht passiert, wenn …« Seine Stimme brach. Femke schluchzte.
    »Was«, sagte Tjark verächtlich, »bist du für ein jämmerlicher Kerl.«
    »Schnauze!«, herrschte Ruven ihn an und richtete die Waffe auf Tjark. Besser so, dachte Tjark. Besser ich als Femke. Besser, einer kommt aus dieser Sache heil raus, als dass zwei draufgehen.
    »Übernimm gefälligst Verantwortung für deine Taten! Du hast die Menschen getötet und niemand anders! Du bist ein lumpiger Krimineller, ein Mörder und ein Irrer!«
    Ruven machte einige Schritte auf Tjark zu. Jetzt hielt er ihm das Gewehr direkt vors Gesicht. Femke begann zu kreischen, fing sich aber schnell wieder.
    »Nenn mich nicht Irrer!«
    »Was bist du denn? Würde mir ein normaler Mensch einen Zettel mit DNA von Vikki Rickmers schicken, um mir damit zu demonstrieren, was er für ein Superman ist?«
    »Schnauze!«
    »Würde ein normaler Mensch sich an der Nähe der Polizei aufgeilen und ihr bei den Ermittlungen auch noch helfen? Nur ein Irrer tut so etwas.«
    »Ich schieß dir das Gesicht weg, wenn du mich noch einmal so nennst!«
    Tjark versuchte, nicht in den Gewehrlauf zu sehen, und blickte Ruven an, dessen Augen ihn an einen Hai erinnerten.

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