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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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musste es sich um die seitliche Schiebetür handeln. Darauf stand SAR – die Abkürzung für Search and Rescue.
    Ceylan bemerkte einen Stupser an der Schulter und sah zu Fred. Violette Doppelbilder tanzten auf ihrer Netzhaut. Fred rief ihr etwas zu. Er deutete nach vorne, und als Ceylan in diese Richtung schaute, erkannte sie im sich offenbar langsam verflüchtigenden Nebel eine Art leuchtenden roten Kirchturm im Meer. Er schälte sich aus dem milchigen Dunst und wurde nun vom Suchscheinwerfer erfasst, was das Rot noch greller erstrahlen ließ. Es war eine Boje.
    Im nächsten Moment wanderte der Lichtkegel weiter. Ceylan wollte schreien, konnte es aber nicht. Was sie im Licht gesehen hatte, hatten die Piloten von oben offensichtlich nicht wahrgenommen, weil der Winkel zu steil und die Sicht zu schlecht war.
    Fred und Ceylan hingegen hatten es genau gesehen: Ein Mensch war an die Boje gebunden und hing wie Jesus mit ausgestreckten Armen am Schwimmkörper. Ceylan wedelte mit den Armen in Richtung Hubschrauber. Auch Fred winkte, mit dem Handy in der Hand, nach oben. Keine Chance, dachte Ceylan, irgendwen anzurufen, der eine Verbindung zu den Piloten herstellen würde, weil man kein Wort verstehen würde. Sie mussten darauf vertrauen, dass die Piloten es auf dem GPS sehen würden, wenn sie mit dem Boot an die Boje heranfuhren. Zwar waren sie kein professionelles Rettungsteam, aber gewiss schneller da – und allein darauf kam es jetzt an.
    »Fahr los!«, brüllte Ceylan Torsten so laut sie konnte zu und deutete mit der Hand die Richtung an. Er nickte mit offenem Mund. Das Boot setzte sich in Bewegung.

85
    Die Schwärze brach über Tjark zusammen und umfasste ihn mit dunklen Schwingen, wie um ihm alle Luft aus den Lungen zu pressen. So würde er also sterben. Er würde ertrinken wie seine Mutter. Ausgerechnet der Tod, den er sich so oft in allen Facetten ausgemalt hatte, würde ihn in wenigen Augenblicken ereilen. Doch er verspürte keinerlei Panik, als er merkte, wie die Nordsee an ihm zerrte. Da war eine gewisse Leichtigkeit, die er sich nicht erklären konnte, und wie ein Echo vernahm er in dem Gurgeln um sich herum die Stimme seines Vaters, der auf einem Krankenhausbett saß und ihn mit fiebrigen Augen ansah. »Vergiss nicht, wer du bist, Junge! Versprich mir, dass du das Arschloch erledigst.«
    Tjark breitete die Arme aus. Er glitt dahin wie der Silver Surfer. Wie hieß es noch? »Die Dunkelheit wird die Erde verschlingen – also komm und folge dem Surfer.« Es hieß aber auch: »Sogar im Scheitern liegt Ehre, aber im Aufgeben nur Schande.«
    Ja, überlegte Tjark, so war es und nicht anders. Hier würde es nicht enden. Das Böse durfte nicht gewinnen. Er musste tun, was er immer getan hatte. Er musste kämpfen. Und er hatte ein Versprechen einzulösen, ein letztes Versprechen. »… und dann komm zurück«, hörte er die Stimme, »und sag mir, dass du ihn erwischt hast.«
    Ein Ruck ging durch Tjarks Körper, und er versuchte, sich zu orientieren, was ihm nicht gelang. Scheiß drauf, dachte er und begann mit den ersten kräftigen Schwimmstößen.

86
    Wie von Geisterhand war der Nebel verschwunden. Die Lichter der Taschenlampen von Ceylan und Fred erhellten die Wogen vor dem Bug des kleinen Bootes. Als hätte jemand sie per Knopfdruck eingeschaltet, waren in der Ferne die Lichter der Inseln zu sehen, das Pulsieren eines Leuchtturmsignals sowie die Sterne – und zwischen den Sternen der Hubschrauber, der ganz in der Nähe kreiste. Nur nicht da, wo er kreisen sollte. Der Außenborder röhrte mit dem rhythmischen Schlappen der Rotoren um die Wette. Jetzt geriet die Boje in den Schein der Lampen. Sie war nicht mehr weit, vielleicht fünfzig Meter, dann nur noch zwanzig, zehn …
    »O Mann«, zischte Ceylan mit kieksender Stimme und hielt sich die Hand vor den Mund, als sie die Frau erblickte. Es sah aus, als habe sich eine Wasserleiche an der Boje verfangen. Die schwarzen Haare fielen ihr wie Tang ins Gesicht. In der Dünung wippte der Kopf von rechts nach links und verschwand gelegentlich unter einer Welle. Die Arme waren ausgestreckt. An den Handgelenken war sie an den Schwimmkörper gebunden, der an einigen Stellen eingedellt war – als habe man ihn mit Schrotladungen beschossen. Endlich war das Boot an der Boje angekommen, und bevor Ceylan fragen konnte, ob sie so etwas wie ein Messer dabeihatten, um die Frau loszuschneiden, war Fred bereits ins Wasser gesprungen.
    »Nicht!«, hörte sie Torsten noch hinter sich

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