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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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ihr Vater in der Pension am Hafen gewohnt. Wenn irgendjemand etwas wusste, dann war es Jette. Jo war schon auf dem Weg zum Hotel, machte kehrt und beeilte sich, zum Althäger Hafen zu kommen. Sie hatte plötzlich große Angst, die alte Wirtin zu verpassen.
    Als sie das Räucherhaus erreichte, klebte ihr das T-Shirt am Rücken und am Bauch. Sie sah aus, als habe sie soeben einen Regenguss abbekommen oder einen Halbmarathon hingelegt. Das scherte sie kein bisschen.
    »Ist Jette da?«, fragte Jo, ohne Sven zuvor zu begrüßen.
    »Jepp«, kam es prompt zurück. Ihn kümmerte ihr unhöfliches Benehmen nicht. »Oma!«, rief er nach hinten.
    Es dauerte nicht lang, da hörte Jo die kleinen festen Schritte. Jette erschien im Türrahmen. Sie trocknete sich gerade die Hände ab.
    »Das ist aber eine schöne Überraschung. Kommen Sie mich noch mal besuchen?«
    »Sie müssen mir helfen«, brachte Jo gerade noch hervor. Dann begann sie zu zittern und musste sich setzen. Ihre Beine versagten ihr den Dienst. Überhaupt fühlte sie sich, als hätten sämtliche Muskeln sich auf einen Schlag in glitschige Quallen verwandelt.
    »Ach du dicker Dorsch, was ist denn mit Ihnen passiert? Warten Sie, ich hole Ihnen etwas zu trinken.«
    »Ein Wasser, bitte«, rief Jo der Wirtin zu, die bereits am Tresen war. Nur jetzt keinen Alkohol, dachte sie und kämpfte schwer mit den Tränen.
    Jette kam mit einer Flasche Wasser zurück und schenkte Jo ein Glas ein.
    »Nun trinken Sie erst mal, und dann erzählen Sie mir, was los ist.«
    Genau das tat Jo. Am Ende ihres Berichts fragte sie: »Wissen Sie, wer mein Halbbruder ist?« Sie traute sich kaum zu atmen.
    »Das tut mir man leid, Deern, aber das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe wohl auch davon gehört, dass er ein Kind gemacht haben soll, der Otto. Darüber hat er mit mir aber nie gesprochen. Da war er eigen, und ich habe nicht gefragt. Ging mich doch nix an.«
    Jo seufzte tief. Wenn Jette ihr nicht helfen konnte, an wen sollte sie sich dann wenden?
    »Einen guten Rat will ich Ihnen aber geben, Deern. Ich bin man eine alte Frau, ich darf das.« Sie lächelte ihr gütiges Lächeln, und feine Fältchen legten sich um ihre Augen wie Sonnenstrahlen. »Sprechen Sie mit dem jungen Mann, in den Sie sich so verguckt haben. Er ist der Einzige, der Ihnen Ihre Fragen beantworten kann. Er wird seine Familie doch wohl kennen.« Sie legte Jo eine raue Hand auf den Arm.
    »Ich habe solche Angst«, flüsterte Jo. Ihre Lippen zitterten, und sie trank rasch noch etwas Wasser.
    »Wovor, vor der Wahrheit? Glauben Sie mir, die Ungewissheitbringt uns um. Mit der Wahrheit können wir lernen zu leben.«
    So eilig wie Jo zum Hafen gerannt war, so zögernd langsam ging sie nun zurück. Sie schlüpfte unter die Dusche, zog sich frische Sachen an und machte sich sofort wieder auf den Weg zu Jans Haus. Es hatte keinen Sinn, die Aussprache vor sich her zu schieben. Immer wieder spielte sie alle Möglichkeiten durch. Als kleines Mädchen und auch noch als Teenager hatte sie sich sehr eine Schwester oder einen Bruder gewünscht. Selbst jetzt war es ein schöner Gedanke, dass es da jemanden gab, der aus dem gleichen Fleisch und Blut war wie sie. Jedenfalls zur Hälfte. Solange es sich nur nicht um Jan handelte. Dieser Gedanke war alles andere als schön. Jo wusste nicht, ob ihre Beziehung eine Chance hatte, ob er es über das Herz bringen konnte, nach Hamburg zu ziehen. Eines aber wusste sie: War er ihr Bruder, verlor sie ihn auf der Stelle – als Freund und als Bruder.
    Da war der Zaun, das gelbe Haus, das blaue Atelier mit dem Leuchtturm, die Stockrosen vor der Veranda. Der Käfer stand in der Einfahrt. Max kam angesaust, um sie zu begrüßen. Noch war die Pforte geschlossen. Er konnte nicht zu ihr, und so hörte sie ihn das erste Mal bellen.
    »Max?«, rief Jan von der Terrasse. »Alles klar?« Er kam durch den Garten nach vorn. »Braver Hund! Du hast toll auf mich aufgepasst«, scherzte er, als er sie sah und herzte ihn inbrünstig.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte Jo hastig.
    »Hier und jetzt, oder willst du reinkommen?« Ihm war die Verunsicherung deutlich anzumerken.
    Sie gingen auf die Terrasse, wo sie nun schon so manche Stunde verbracht hatten. Wieder summten Bienen und Hummeln, zirpten Grillen, landeten Schmetterlinge auf duftenden Blüten und hielten mit elegantem Flügelschlag die Balance.
    »Ich muss wissen, wer deine Eltern sind«, erklärte sie ohne Umschweife.
    »Was ist los?« Er hatte mit allem gerechnet,

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