Düstere Sehnsucht - Feehan, C: Düstere Sehnsucht - Deadly Game
Lächeln verrutschte nie, und die scherzhaften Bemerkungen gingen ihm leicht über die Lippen, weil er mit Sicherheit wusste, dass Jack, ganz gleich, was geschah, hinter ihm stehen und ihn unterstützen würde, wie er es schon vor all den Jahren getan hatte.
Jack hatte immer geglaubt, nach der Entdeckung ihrer Eltern seien Kens Tränen sowohl dem Kummer als auch dem Schmerz zweier gebrochener Arme entsprungen, aber in Wirklichkeit galten seine Tränen seiner Mutter und dem entsetzlichen Wissen, dass er seinen Zwillingsbruder in die Zwangslage gebracht hatte, ihren Vater töten zu müssen. Jahre später, als Ekabelas Männer ihn gefoltert hatten, hatte Ken gewusst, dass Jack kommen würde, um ihn zu holen, ob tot oder lebendig. Jack würde kommen, und daher hatte Ken beschlossen, am Leben zu bleiben, um zu verhindern, dass Jack versuchte, die Rebellen im Kongo eigenhändig wegzuputzen. Ken hatte sich schon immer für seinen Bruder verantwortlich gefühlt. Er kannte Jacks Charakter und die Dämonen, die ihn trieben, und er würde sich immer verantwortlich dafür fühlen, dass er aus seinem Bruder das Schlimmste herausgeholt hatte.
Nachdem er Mari das Schmerzmittel gespritzt hatte, fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. Sie hatten sie ihrer Kleidungsstücke und ihrer Würde beraubt. Wie konnte sie ihnen das vergeben? Er wusste, wie es war, vollständig entkleidet zu werden, und er kannte die Furcht, die damit einherging, sich als Gefangener wehrlos ausgeliefert zu fühlen. Seine Finger wühlten sich in ihr Haar und streichelten es im Schutze der Dunkelheit. Er musste sie berühren, und er musste ihr nahe sein – und das war
für sie beide sehr gefährlich. Er hatte sein ganzes Leben lang hart daran gearbeitet, dem Monster überlegen zu sein, und sie hatte es von einem Moment zum anderen brüllend zum Leben erweckt; es hatte seine Klauen und seine Zähne gezeigt und sie in seine Eingeweide und in seinen Verstand gegraben.
Sowie er ihren Duft eingeatmet und ihn tief in seine Lunge eingesogen hatte, war ihm klar gewesen, dass Whitney ihn und sie als Paar angelegt hatte. Seine erste Reaktion hatte in blanker Wut bestanden, Wut darüber, wie leicht er Whitney zum Opfer gefallen war, aber dann, als Jack Mari nahegekommen war, hatte er das scharfe Messer der Eifersucht gefühlt, so abscheulich und gefährlich wie die schlimmsten Seiten seines Vaters. Es war eine heftige Reaktion gewesen — seine Eingeweide hatten sich verkrampft, und wogender schwarzer Dunst war durch seinen Geist gezogen, bis er ihn schmecken konnte. Das Verlangen nach Gewalttätigkeit war nahezu übermächtig gewesen. Und dann hatte er sich gefürchtet, sich mehr gefürchtet als zu dem Zeitpunkt, als Ekabelas Männer ihn nackt ausgezogen, mit abgespreizten Gliedmaßen festgebunden und ihr langsames, akribisches Werk an seinem Körper begonnen hatten.
Sein Mund wurde allein schon bei dem Gedanken trocken, wie gern er seine Finger um Jacks Hals geschlungen hätte, um ihn von Mari fernzuhalten, als sie in sein Gesicht aufgeblickt hatte – sein vollkommenes Gesicht. Ken rieb sich mit einer Hand sein entstelltes Antlitz und fühlte die Wülste, die glänzende, gespannte Haut und die Scharte in seiner Lippe. Es war schon seltsam, dass ihn das bisher nie wirklich gestört hatte. Natürlich hatte sich ab und zu akuter Groll in ihm geregt, aber die meiste Zeit
hatte er das, was seinem Körper angetan worden war, so hingenommen, wie er alles andere in seinem Leben auch hinnahm. Was ihm zugefügt worden war, war eine Tatsache, und mit Tatsachen arrangierte man sich. Außerdem war sein Gesicht gar nichts im Vergleich zu dem Schaden, den sie an seinem Schwanz angerichtet hatten. Er schloss für einen Moment die Augen und erinnerte sich daran, wie die Schnitte näher und immer näher gekommen waren und Galle in ihm aufgestiegen war, an die Furcht und an den entsetzlichen Augenblick, als sie endlich dort angelangt waren und diesen ersten Schnitt anbrachten, bei dem sich seine Eingeweide teuflisch verkrampft hatten.
»Ken«, sagte Jack mit leiser Stimme, »ist alles in Ordnung mit dir?«
Ken wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Jack war viel zu gut auf ihn eingestimmt, und daher war es ihm nahezu unmöglich, starke emotionale Reaktionen vor ihm zu verbergen. Jack würde seinen Zwillingsbruder nicht verlieren wollen, aber es war nur eine Frage der Zeit, wann Jack sich gezwungen sehen würde, die Wahrheit zu akzeptieren – und dann würden Maris
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