Duett der Liebe
Vorstellung. „Das bezweifle ich.“
Offenbar meinte er das ernst. Wahrscheinlich sah er nur beim Rasieren in den Spiegel. „Dann haben Sie noch nicht viel mit gerade volljährig gewordenen jungen Damen zu tun gehabt.“
Damit hatte sie Recht. Seine Erfahrungen mit Frauen vor Gina beschränkten sich auf sexuelle Zwischenspiele mit meist reichen, erfahrenen und älteren Frauen, die Kulturprogramme leiteten oder Wohltätigkeitskonzerte organisierten.
Tyler spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. „Nein, nicht wirklich.“
Irgendetwas passte nicht, obwohl es Brooke beinahe nicht aufgefallen wäre, da seine Nähe es ihr schwer machte, klar zu denken. „Dann haben Sie auf dem Gymnasium unterrichtet?“
Darauf war er nicht vorbereitet. „Wieso?“
„Nun ja, wenn Sie noch nicht viel mit Studenten zu tun hatten, dann müssen Sie jüngere Schüler unterrichtet haben.“
Er hatte es versäumt, seine angebliche Vergangenheit wirklich durchzuplanen.
Bis jetzt hatte er dazu auch keinen Grund gehabt. An der Uni hatte ihn niemand nach seiner Berufserfahrung gefragt, wahrscheinlich, weil die Behörden alles bis ins Detail vorbereitet hatten.
„Zum Teil.“
Seltsame Antwort, dachte sie. Beinahe hätte sie ihn nach den Namen der Schulen gefragt, an denen er gelehrt hatte, doch das hätte zu sehr nach Verhör geklungen. Also fragte sie stattdessen: „Und den Rest der Zeit?“
Er hob vage die Hände. „Ich hatte einfach nicht so viel Kontakt.“
Hastig öffnete er die Beifahrertür und ging dann um den Wagen herum zur Fahrerseite. „Vielleicht sollten wir besser fahren.“
Der Themen Wechsel kam so plötzlich, dass sie wieder mal sprachlos war. „Na schön“, murmelte sie schließlich und stieg ein. Offenbar mochte er es nicht, wenn Leute zu neugierig waren. Allerdings hatte sie nach dem Kuss geglaubt, dass sie mehr war als eine flüchtige Bekannte.
Vielleicht sollte sie noch mal ernsthaft über die ganze Sache nachdenken, bevor es zu spät war.
Er versuchte wirklich, ihr aus dem Weg zu gehen, doch er brachte es einfach nicht fertig. Natürlich hatte er genug zu tun, was ihn ablenkte. Er musste zehn Wochen Unterricht in drei verschiedenen Klassen vorbereiten, war vier Tage die Woche an der Uni, was den Freitag für das Korrigieren von Arbeiten und die Stundenplanung frei ließ. Und die Abende gehörten natürlich den Drillingen.
Doch immer wieder ertappte er sich dabei, dass er an Brooke dachte. Dabei half es natürlich nicht, dass seine Mädchen ständig von ihr sprachen und Ada immer mal wieder eine ihrer typischen Bemerkungen machte. Es war, als wäre Brooke bei allem dabei, was er tat.
Da die Mädchen nicht aufhörten, ihn mit Fragen zu bestürmen, wann sie Brooke wieder sehen würden, blieb ihm schließlich nichts anderes übrig. Ganz offenbar tat ihnen ihre Gesellschaft gut, und wer war er, ihnen das abzuschlagen?
Es dauerte nur etwas über eine Woche, bis seine Ausreden anfingen, unglaubwürdig zu klingen. Am Dienstag wählte er während einer Pause Brookes Nummer im Buchladen.
„Tell me a Story“, meldete sie sich.
Diesmal fiel ihm keine schlagfertige Antwort ein. Natürlich hätte er sich entschuldigen sollen, dass es wieder so lange gedauert hatte, bis er anrief, doch damit wollte er sich gar nicht erst aufhalten. „Brooke, ich bin’s, Tyler.“
„Ja, ich weiß.“
Das überraschte ihn. Er hatte selbst bis vor ein paar Sekunden nicht gewusst, dass er anrufen würde. „Wie das? Haben Sie Rufnummernerkennung?“
Sie lachte. „Besser. Weibliche Intuition.“
„Oh. Und verrät Ihnen die auch, warum ich anrufe?“
„Na ja, es hat entweder mit den Mädchen zu tun oder mit Ihnen.“ Sie klemmte sich den Hörer zwischen Kopf und Schulter und tippte das Buch, das eine Kundin ihr reichte, in die Registrierkasse.
„Sehr schlau.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stieß den Atem aus, den er unbewusst angehalten hatte. „Haben Sie heute Abend schon was vor?“
Sie dachte an die Listen, die im Büro auf dem Schreibtisch lagen. Lange Listen mit Buchtiteln, daneben jeweils eine freie Spalte, in die sie die passenden Zahlen eintragen musste. Was lange überfällig war.
„Ja, leider.“ Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen, während sie gleichzeitig die Quittung und das Buch in eine der Bärentüten steckte und sie lächelnd der Kundin reichte. „Ich muss Inventur machen. Das habe ich schon lange vor mir hergeschoben, und zu allem Überfluss habe ich im
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