Duftspur
Streit zwischen Udo und Jörn. Da brennt die Luft. Den Ausbruch einer Keilerei verhindert nur das Erscheinen der Gralskrieger aus dem Sauerland. Da durch die schmalen Gassen des Ortes keine großen Busse bis zur Burg hinauffahren können, sind sie von der Haltestelle zu Fuß gekommen. Sie waren schnell und sind so hilfsbereit beim Entladen ihrer Waffen selbst zu helfen. Jörn verspricht ihnen ein großes Lagerfeuer mit Spanferkel für heute Abend.
Einbeinig hüpfe ich die Stufen zum Turm hinauf. Wie gerne wäre ich Luca los. Doch sie hat etwas ausgeheckt und das muss ich in Erfahrung bringen. Erst den Fuß behandeln, denke ich mir, während sich der Schlüssel im Schloss dreht. Kaum schwingt die Tür auf, springt mich von hinten der kleine Mann an. Vorwärts stolpre ich ins Innere des Turms, den Gnom auf dem Rücken. Wir purzeln der schlafenden Luca vor die Füße. Behände ist Napoleon wieder auf den Beinen, knallt die Tür hinter uns zu und schließt von innen ab. Fehlt nur noch, dass er den sperrigen, alten Schlüssel verschluckt. Ich rapple mich auf und wie eine Sprungfeder ist Luca von der Pritsche gehüpft und steht jetzt dicht hinter mir. Ich werfe einen Blick über die Schulter und spiegle mich in ihren schreckgeweiteten Augen.
»So sieht man sich wieder«, schnarrt der Gnom. Seine meckernde Stimme passt zu ihm. Aha, flüstert Kalle, die beiden kennen sich.
»Ähm, Leute, mich geht das hier alles nichts an. Ihr entschuldigt mich ...«, starte ich den Versuch, zwischen den Fronten abzutauchen.
»Du bleibst«, sagt Gnom Napoleon und gleichzeitig krallen sich von hinten Lucas Fingernägel ins Fleisch meines Unterarms. Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, zieht Napoleon mit der rechten Hand ein Stilett aus dem Innern seiner Jacke und fuchtelt mir damit vor der Nase herum. Mit der Linken rupft er ein paar Handschellen hinten aus seinem Hosenbund und zwingt mich, den Armschmuck einseitig anzulegen. Feg den doch von den Füßen, feuert Kalle mich an. Ich überlege zu lange, mit welchem Bein ich ihm ins Kreuz treten könnte, da mein Fuß noch immer höllisch schmerzt. Der günstigste Augenblick ist vorüber und mit dem losen Ende der Schellen bin ich an einen Eisenring gekettet, der seit hundert Jahren nutzlos aus der Wand hängt und nur auf diesen Einsatz gewartet zu haben scheint. Mein rechter Arm ist jetzt hoch über meinem Kopf fixiert. Ganz blöde Lage, kommentiert Kalle. Ja, auch ich ärgere mich über meine Unentschlossenheit und beschließe, dass mir so was nicht noch mal passiert. Napoleon hat es wohl offensichtlich mehr auf Luca abgesehen, versucht der Advokat mich zu beruhigen. Luca verliert den Rest ihrer rosigen Gesichtsfarbe, so dass sie nun komplett blau schimmert. Wo hat sie ihren Sack versteckt? Sie war doch die ganze Zeit im Turm, flüstert der Meisterdetektiv Kalle und schaut konzentriert in jeden Winkel.
»Wo ist Michael?« Napoleon knöpft sich Luca vor die Brust.
»Ich weiß es nicht.« Wie gespuckt kommen ihr die Worte aus dem Mund.
Der kleine Mann gibt sich unbeeindruckt, schiebt sie von sich und klatscht ihr mit der Rückhand eine ins Gesicht. Lucas Wange erhält wieder Farbe. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, ihre Stimme mit Trotz: »Ach, mehr hast du nicht drauf! Falls ich den Mistkerl vor dir erwische, kannst du wieder in die Röhre gucken. Genau wie damals!« Zack, jetzt kriegt sie noch eine gelangt, diesmal auf die andere Seite.
»Hey«, mische ich mich ein. Die Handschelle rasselt.
»Halts Maul«, keifen mich beide an. Auf ihre Art sind die beiden sich einig. Ich fühle mich an eine Situation erinnert, als ich als Siebzehnjähriger in einer Kneipe in Haiger-Seelbach zwischen ein handgreiflich streitendes Ehepaar ging und es plötzlich von beiden Seiten Schläge auf mich hagelte. Etwas Metallisches rutscht mir innen am Schenkel entlang und wird vom losen Gummi meiner Socke aufgefangen. Michaels Schließfachschlüssel ist durch die kaputte Tasche entwischt.
»Also«, setzt Napoleon noch mal zur Ausgangsfrage an: »Wo ist er?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Heute Abend soll Übergabe sein. Wenn er dann nicht hier ist, muss ihm was passiert sein.«
»Jetzt hör mir genau zu. Ich lass mich nicht von einer Halbwüchsigen verscheißern. Ich weiß, dass es da unten gebrannt hat und ich weiß auch, dass es sich bei dem Haus um Michaels Versteck gehandelt hat. Zum letzten Mal: Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht! Kapier das doch endlich!« Lucas Stimme wird
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