Duftspur
Lebensversicherung, die auf den Namen seiner Eltern läuft. Sein Sozialversicherungsheft, und ganz unten liegt ein Schlüssel zu einem Schließfach. Sparkasse Burbach. Den Schlüssel nehme ich an mich, die kleine Blechkiste lasse ich wieder unter der Theke verschwinden. Die Anzeichen mehren sich, dass Michael nicht mehr unter den Lebenden weilt, schließt der Advokat kühl aus der Tatsache, dass der Mineralienverkäufer ohne den Schlüssel verschwunden ist. Oder er plant zurückzukommen und ist irgendwo, wo er den Schlüssel nicht braucht, kommt mir in den Sinn.
In Gedanken versunken, mir ist fast schwindelig vor Aufregung, will ich den Kiosk wieder verlassen. Zuvor spähe ich durch eines der kleinen Sprossenfenster und erkenne den kleinen Mann, der sich Napoleon nennt, Kunstschmied ist und irgendwann ein Partner Michaels war. Er hockt hinter der Regentonne neben dem Eingang des Cafés und belauert die Tür. Seine Aufmerksamkeit zielt nicht in meine Richtung. Hoffentlich hat er mich nicht in den Kiosk gehen sehen. Etwas veranlasst den kleinen Mann plötzlich aufzuspringen und davonzurennen. Nach einer Sekunde wird klar, warum er es so eilig hatte. Die Polizisten verlassen mit Greta das Café. Kaum ist der Polizeiwagen weg, kommt Udo mit dem Bus durch das schmale Tor gefahren und hält genau vor dem Kiosk. Unfreiwillig, denn ein Auto parkt so schräg vor dem zweiten Burgtor, dass er mit dem Bus nicht vorbei kommt. Das gibt mir Deckung. Ungesehen verlasse ich den Kiosk. Als ich mich um die Busfront herumdrücke, erblickt mich Udo und dirigiert mich zurück.
»Hier geblieben und ausladen!«
48
Der Bus ist voll mit schweren Waffen. Säbel, Schwerter, prächtig verzierte Schilde, Pfeile und Bögen, sogar eine imposante Armbrust ist dabei. Dolche, Speere, Morgensterne, alles was ein Ritterherz begehrt.
»Die Ausstattung der heiligen Gralskrieger aus dem Sauerland«, gibt Udo Auskunft. Mein Blick scheint ihn zu erheitern. »Warts nur ab. Gleich kommen die Kämpfer von Gondor und Rohan aus dem Osten. Die Truppe aus Schwerin lässt ihre Wurfäxte und zweihändigen soliden Waffen von erstklassigen Schmieden herstellen. Bis dahin wird der Querparker wohl weg sein. Kannste jedenfalls hoffen.« Jetzt lacht er sogar.
»Was ist das jetzt eigentlich hier für ein Spektakel? Mittelalter oder Mittelerde?«
Unbemerkt ist Jörn zu uns gestoßen und liefert mir die Antwort.
»Ein zeitenübergreifendes Festival. Am Sonntag kommt es zu einem großen Schaukampf beider Garnisonen. Ich bin schon sehr gespannt.« Jörns Augen funkeln wie die eines Kindes unterm Christbaum. Ich bin auch gespannt, wie ein Flitzebogen, sagt Kalle.
»Wo ist Kurt?« Jörn schaut in die Runde.
Kurt erscheint wie gerufen und alle vier packen wir mit an. Die letzte und größte Kiste schleifen Udo und ich gemeinsam zur Ladekante des Transporters. Jetzt hättest du Gelegenheit, Udo nach Alfons zu fragen. Während wir die schwere Truhe mit Handwaffen schleppen, überlege ich, wie ich es geschickt anstelle.
Soll ich fragen? Sei mal eher vorsichtig, rate ich mir und stöhne laut, dass ich diese Plackerei Alfons zu verdanken habe. Udo zeigt keine Reaktion.
»Kennst du den? Mir war, als hätte ich euch zusammen gesehen. Ich such ihn nämlich.«
Udo lässt unvermittelt sein Ende der Kiste los. Der plötzliche Ruck versetzt mir einen üblen Stich in die Schulter und ich muss loslassen. Dabei kracht mir halbseitig das schwere Teil auf den rechten Fuß und zertrümmert meinen kleinen Zeh. Scheiße, tut das weh! Ich gebe mir keine Mühe, einen Schmerzlaut zu unterdrücken.
»Nicht schwätzen, schaffen«, kommentiert der grobe Kirmesmensch.
Man muss die Zeichen richtig deuten, zitierte Marie gerne ihren Guru. Der Schmerz pocht aufdringlich durch meine Nervenbahnen bis ins Gehirn und seine Message ist: Hau ab! Nein, so kurz vor der Auflösung dieser Beziehungsgeflechte werde ich nicht aufgeben. Schon gar nicht ohne zu wissen, was Luca mir untergeschoben hat. Udos Zeichen bedeutet also, dass er nicht mit mir über sich und Alfons reden will.
Ich solle mich nicht so anstellen, sagt er. Eine weitere Frage nach seiner Bekanntschaft mit Alfons erspare ich mir, während wir die Handwaffen in einen trockenen Raum schleppen.
Mir reicht es erst mal! Nachdem die Kiste im Lagerraum mit den Getränken verstaut ist, verschwinde ich aus Udos Reichweite. Ich entschuldige mich für zwanzig Minuten bei Jörn und hinke zum Hungerturm. Hinter mir höre ich einen beginnenden
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