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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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auch mühelos kauen und schlucken können. Muss man mit groß geworden sein, schätze ich.
    Es ist Abend. Wir warten. Um sieben waren wir mit Kliff Henger verabredet. Jetzt ist es halb neun, sagt Phil. Aus lauter Langeweile hat er bereits drei Bier getrunken. Er hat sich für den hintersten Tisch entschieden, in der Ecke, neben dem Durchgang zu den Toiletten. Hier sitzt es sich ungestört, und dennoch kann man das gesamte Restaurant überblicken. Nach und nach füllt sich die »Alte Post«. Jeder, der hereinkommt, scheint seinen festen Platz zu haben. Insbesondere die Barhocker an der Theke sind beliebt. Wie gesagt: Wir warten.
    Angekündigt von einem ungewöhnlich heftigen Schwingen der Saloontür, betritt Henger das Lokal. Phil wirft einen Blick auf seine Ich-mach-dich-platt-Uhr und atmet hörbar aus.
    Mein Partner hat den Tisch in der Ecke vor allem deshalb gewählt, weil er – ist eigentlich keiner Erwähnung wert – möglichst wenig Aufsehen erregen wollte. Wäre nicht nötig gewesen, wie sich jetzt herausstellt. Henger klemmt sich die Polizeimütze unter den Arm, paradiert freudestrahlend von Tisch zu Tisch, begrüßt jeden Gast mit Handschlag und flüstert in einer Lautstärke, die easy bis in die Küche trägt: »Bin beruflich hier – verabredet. Mit einem Privatermittler aus der Hauptstadt, ja, sitzt da hinten. Also, bis später …«
    »Herr lass Hirn vom Himmel fallen«, nuschelt Phil.
    Schließlich ist Henger bei uns angekommen, streckt Phil die Hand über den Tisch und brüllt: »n’Abend, Herr Mahlow!«
    Aus dem wird mal ein ganz Großer.
    Henger setzt sich. Seine Mütze legt er verkehrt herum auf den Tisch. »Tut mir echt leid wegen der Verspätung. Mir ist die Kette abgesprungen …«
    Eine Frau in Küchenschürze erscheint, im Mundwinkel eine Zigarette. Der Polizist bestellt »einmal wie immer, Petra!«.
    An ihrer Zigarette vorbei fragt Petra meinen Partner: »Woll’n Se det nich?« Gemeint ist das Zeug auf seinem Teller.
    »Nein«, erwidert Phil, »vielen Dank. Ich hatte doch keinen Hunger.«
    Mit einem Schulterzucken wischt sich Petra die Hand an der Schürze ab, nimmt Phils Teller und verschwindet wieder.
    Henger sieht meinen Partner an und wippt mit dem Kopf wie ein Wackeldackel. »Wie läuft’s?«, fragt er.
    Phil legt seinen Kopf auf die Seite. Ich kann’s nicht sehen, aber ich höre seine Wirbel knacken, und deshalb weiß ich’s. »In Ihrem Handbuch zur Verbrechensbekämpfung …«
    »… 
Großen
Handbuch der Verbrechens
aufklärung
«, berichtigt Henger.
    »In Ihrem
Großen
Handbuch der Verbrechens
aufklärung
«, wiederholt Phil müde, »steht da auch etwas davon, dass man seine Ermittlungen nach Möglichkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit vornehmen sollte?«
    »Klaro!« Henger lässt seine Zähne aufblitzen. Dem Mann macht so schnell keiner etwas vor. »Merksatz Nummer siebzehn: Gib deine Identität und deine Absichten nur preis, wenn der Nutzen für den Fortgang der Ermittlungen größer ist als der Schaden.«
    Phil antwortet nicht. Er wartet, bis Henger von selbst drauf kommt.
    »Ach so«, sagt der Polizist schließlich, blickt über die Schulter und winkt in den Gastraum. »Sie meinen deswegen …« Wieder grinst er Phil an. »Aber die kenn ich doch alle!«
    Hengers Essen kommt. Nach ungefähr einer Minute. An einer Stelle ist die Panade abgeschabt, und das Fleisch sieht aus, als hätte bereits jemand seine Klinge daran geschrottet. Lasse ich jetzt mal unkommentiert. Mühelos trennt Henger einen Bissen ab, spießt ihn auf und schluckt ihn, ohne zu kauen.
    »Also«, Phil versucht, freundlich zu bleiben, »wie war das mit dem Fahrrad?«
    »Rich-tig!« Der Polizist zielt mit der Messerspitze direkt auf Phils Herz: ins Schwarze getroffen. »Das Fahrrad!«
    Während er Stück für Stück sein – ich schwanke eine Zeitlang, komme aber zu dem Schluss, dass es sich um ein Kotelett handeln muss – zerkleinert und schluckt, erzählt Henger mit leuchtenden Augen, was sich vor einigen Wochen im Ort zugetragen hat.
    »Da war dieser Mann. Der war plötzlich da, einfach so.«
    »Einfach so?«, fragt Phil.
    »Ist mit dem Bus gekommen. Einfach so.«
    »Einfach so mit dem Bus gekommen.«
    Wieder nimmt Henger mit seinem Messer Phil ins Visier: »Haar-ge-nau.«
    Da war also dieser Mann, und alles, was Henger im Ort über ihn zusammentragen konnte, war, dass er sich hier, in der »Alten Post«, ein Zimmer genommen und bar für eine Nacht im Voraus bezahlt hat. Xaver soll er

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