Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
presse ich mir eine Klaue in die Leiste und lasse mich in die Tasche heben. Wir sind fertig, es gibt nichts zu suchen. Game over.
»Das war’s, oder?«, frage ich.
Mein Partner schließt den Deckel. »Sieht so aus.«
Wir gehen zurück zu den Ställen. Einer von uns muss Angel Eyes schließlich die Nachricht überbringen, dass der Fall gestorben ist. Und so, wie es aussieht, wird dieser Job an mir hängen bleiben. Im Stillen versuche ich, die richtigen Worte zu finden: Sorry, Angel Eyes, tut uns leid, wir bedauern, ich bin untröstlich, wir haben getan, was wir konnten, weitere Nachforschungen erscheinen uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig aussichtsreich … Ist nicht so einfach, da muss man den richtigen Ton treffen.
Apropos den richtigen Ton treffen: Ich höre Phil an eine Stalltür klopfen. »Frau Uckermark?«
Nanu? Ich bringe mich in Position.
Es vergehen einige Sekunden, bevor die Tür geöffnet wird. Bei Phils Anblick legt Ann-Sophie sofort wieder ein klitzekleines bisschen den Kopf auf die Seite. Es gibt noch andere Säuger, die so etwas machen – wenn sie überlegen, ob sie zubeißen sollen oder nicht.
»Ja?«
»Ich wollte Ihnen nur noch einmal sagen, dass es mir leidtut.«
Ann-Sophie lässt keine Regung erkennen.
»Ihr Vater hat mir erzählt, wie viel Stardust Ihnen bedeutet hat. Und wie sehr es Sie mitnimmt, dass Ihr Jockey sich so schwer verletzt hat. Ich hoffe, dass er wieder auf die Beine kommt.«
Phil wartet. Ann-Sophie ebenfalls. Schließlich nickt sie. Soll heißen: Gut, danke, hab ich verstanden, Sie sind kein Versicherungsfuzzi, sondern ein liebenswerter einsamer Wolf, und zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, in einem anderen Leben … Vielleicht.
»Das wird kein Trost für Sie sein«, fährt Phil fort, »aber vielleicht erleichtert es Ihre Sorgen an anderer Stelle, wenn ich Ihnen sage, dass ich versuchen werde, die Versicherungssumme so schnell wie möglich zur Auszahlung zu bringen. Mir ist bewusst, wie gut Sie das Geld gebrauchen können.«
»Danke.«
Das müsste es jetzt eigentlich gewesen sein, denkt Ann-Sophie. Und ich denke es auch. Nur Phil rührt sich nicht vom Fleck.
»
Eine
Frage habe ich noch«, sagt er.
Ann-Sophie sieht zu ihm auf. Ihr Blick hat dieselbe Wucht wie ein Schuss in die Kniekehle. Doch mein Partner ist stark. So leicht geht der nicht zu Boden. Keine Sentimentalitäten jetzt, keine persönlichen Gefühle!
»Weiß Ihr Vater von der Verbindung zwischen Olaf und Ihnen?«
Uff. Für einen Moment dachte ich tatsächlich, er würde sie um einen gemeinsamen Ausritt oder so bitten. Ihre Augen weiten sich reflexartig. Bevor sie antwortet, vergewissert sie sich, dass niemand in Hörweite ist.
»Woher …?« Weiter kommt sie nicht.
Jetzt feuert Phil einen letzten Blick auf sie ab: Farewell, my lovely. »Wie gesagt: Ich hoffe für Sie, dass er wieder auf die Beine kommt. Alles Gute.«
Astreiner Abgang, Partner.
Vor der Box von Angel Eyes setzt Phil mich unauffällig ab. Ich ducke mich unter der Tür durch und erblicke ihr gigantisches Hinterteil. Traurig lässt die Stute den Kopf hängen. Ihr Atem geht wieder normal, doch ihr Fell dampft noch immer von den Anstrengungen, die Ann-Sophie ihr abverlangt hat.
»Nicht erschrecken«, sage ich leise.
Angel Eyes erschrickt nicht. Im Halbdunkel wendet sie mir den Kopf zu. »Ach, du bist es.«
Sie weiß es bereits, denke ich. Dass der Fall kein Fall mehr ist. Erdmännchen spüren so etwas. »Es ist so …« Jetzt bloß nicht den falschen Ton treffen. Ich atme durch: »Weitere Nachforschungen erscheinen uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig aussichtsreich.«
Wir zuckeln über den schlammigen Feldweg, der Uckermarks Gestüt mit Nowehr verbindet. Phil ist damit beschäftigt, Schlaglöcher zu umfahren. Hinter uns liegen eine trauernde Stute und eine trauernde Ann-Sophie, im Auto verdichtet sich das Gefühl, keinen festen Platz im Leben zu haben. Der Abend kündigt sich an. Als wir in das Waldstück eintauchen, flackert die Sonne durch die Baumreihen.
»Fuck!«, Phil reißt das Lenkrad herum, bremst und lässt mich in den Fußraum segeln, wo ich freudig von einem Dutzend angematschter Kaffeebecher empfangen werde. Ohne sich um mich zu kümmern, reißt er die Tür auf und steigt aus.
»Alles in Ordnung?«, ruft er.
Unterdessen arbeite ich mich aus den Bechern heraus. Danke für die Hilfe, Partner. Ich schüttele mir etwas Espresso aus dem Ohr, klettere wieder auf meinen Kindersitz und sehe einen
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