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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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Mann neben einem auf dem Kopf stehenden Fahrrad knien. Phil hätte ihn um ein Haar überfahren, was einen nachvollziehbaren Grund hat: Der Mann trägt einen grünen Anzug, Mütze inklusive, Ton in Ton mit den hinter ihm aufragenden Tannen. Ein Polizist. Und er kniet neben seinem Fahrrad, weil die Kette abgesprungen ist.
    Phil hat den Zündschlüssel stecken lassen, weshalb ich unbemerkt das Fenster herunterlassen kann. Bssss…
    »Nix passiert!«, schreit der Polizist freudig, obwohl er und mein Partner sich inzwischen gegenüberstehen. Er wirft einen Blick auf Phils Auto, bemerkt das Berliner Nummernschild und stellt messerscharf fest: »Sie sind nicht von hier.«
    Auch Phil besieht sich das Nummernschild: »Nein.«
    Der Polizist überlegt, ob ihn diese Information irgendwie weiterbringt, kurbelt an der Pedale seines Fahrrads, woraufhin sich das nach oben gestreckte Hinterrad zu drehen beginnt, und lächelt, als hätte er ein Osterei entdeckt. Umständlich erhebt er sich, reibt die Handflächen gegeneinander und stellt sein Fahrrad wieder auf die Beine.
    »Allzeit bereit«, er richtet sich auf und zieht seine Uniform straff. Dann, als hätte er ein weiteres Osterei gefunden: »Ich bin der Polizist hier im Ort.«
    Wär’ ich nie drauf gekommen.
    »Und Sie sind auf dem Weg zu den Uckermarks?«
    Er sieht überrascht aus, und ein bisschen argwöhnisch: »Woher wissen Sie das?«
    Phil blickt zurück. Der Weg, den wir gekommen sind, führt zum Gestüt der Uckermarks. Und
nur
dorthin.
    »Allewetter!« Als hätte sich mein Partner dadurch höhere Weihen erworben, nimmt der Polizist seine Mütze ab und streckt ihm die Hand hin: »Henger«, stellt er sich vor, »Kliff Henger.«
    »Phil Mahlow.«
    Die Dienstmütze hat in Hengers borstenartig abstehenden Haaren einen runden Abdruck hinterlassen – wie einer von diesen magischen Kornkreisen. Als wüsste er, wie bekloppt er damit aussieht, drückt der Polizist sich wieder passgenau seine Mütze darauf: bereit zum Aufbruch.
    »Was wollen Sie denn bei den Uckermarks?«, fragt Phil beiläufig.
    »Oh, ach das …« Henger stellt sich parallel zu seinem Fahrrad, ergreift den Lenker, lässt sein Bein wie ein Pendel nach vorne ausschlagen, um es gleich darauf nach hinten zu wuchten und über den Sattel zu schwingen. »Im Dorf ist ein Fahrrad verschwunden …«
    »Sachen gibt’s …«
    »Das können Sie laut sagen.«
    »Und Sie verdächtigen die Uckermarks, es gestohlen zu haben?«
    »›Alles zulassen, nichts ausschließen‹!« Henger tippt sich an die Mütze, »Großes Handbuch der Verbrechensaufklärung, Merksatz Nummer Eins.«
    »Und wie lautet Merksatz Nummer Zwei?«, will Phil wissen.
    »›Nichts geschieht ohne Grund‹«, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
    Phil geht um den Wagen herum und gibt Henger ein Thumbs-up. »Guter Mann!«
    Einen Moment bleibt er noch in der geöffneten Fahrertür stehen. Henger tritt in die Pedale, rutscht auf dem sandigen Untergrund weg, richtet sein Fahrrad wieder auf, versucht es noch einmal mit Schwung, die Räder schaufeln durch den Sand, und dann verrät ein beherztes »Ratsch«, dass ihm die Kette schon wieder abgesprungen ist.
    Henger steigt ab und beugt sich über den Sattel: »Kein Problem!«, versichert er ohne das geringste Ermüdungsanzeichen, »ist gleich behoben.«
    »Also dann …«
    Phil nimmt die Hand von der Türkante und hat bereits einen Fuß im Wagen, als Henger ihm zuruft: »Ach, übrigens: Der Mann, der sich das Fahrrad geliehen hatte – also, der ist ebenfalls verschwunden.«

Kapitel 10
    Die »Alte Post« in Nowehr versprüht mühelos den wohligen Charme einer Stasi-Verhörstube. Es riecht nach altem PVC und einem Reinigungsmittel, das alles zerstört – außer PVC . Und es riecht nach Bier und Club-Zigaretten. Und nach Zweitakt-Altöl, das in der Küche als Bratfett verwendet wird.
    Der Ölgeruch weht mich vor allem von Phils Teller an, auf dem ein Stück Fleisch liegt, das verdächtige Ähnlichkeit mit dem Zeug hat, das Robert, der Raubtierpfleger, dem Löwen Kunze jeden Morgen ins Gehege wirft. Mit dem Unterschied, dass Phils Stück mit fingerdicker Panade überzogen ist – als wäre das Fell noch dran. Phil hat versucht, die Konsistenz zu testen, dabei ist ihm die Messerklinge abgebrochen. Einen erneuten Versuch hat er nicht gewagt. Zwei Tische weiter sitzen drei Männer, die alle das gleiche Stück Fleisch auf dem Teller haben und es nicht nur mühelos schneiden und auf ihre Gabeln spießen, sondern es

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