Dune 01: Der Wüstenplanet
das?«
Sie lauschten.
Wasser tröpfelte aus der Windfalle und plätscherte in das Bassin. Das Geräusch schien den ganzen Raum auszufüllen. Es fiel Jessica auf, daß der ganze Trupp diesem Geräusch zuhörte. Nur Paul schien noch immer völlig versunken zu sein.
Für ihn hörte sich das Tröpfeln an wie das Ticken einer Uhr, die anzeigte, wie die Zeit verstrich. Er fühlte, wie die Zeit ihn durchfloß, wie die Momente vergingen, ohne jemals wieder zurückzukehren. Es drängte ihn danach, etwas zu tun, aber er war zu keiner Bewegung fähig.
»Wir haben alles genauestens ausgerechnet«, erklärte Stilgar mit lauter werdender Stimme. »Wir wissen bis auf eine Million Dekaliter genau, wieviel wir brauchen werden. Und wenn wir es haben, wird es das Angesicht des Planeten verändern.«
Die Fremen flüsterten zustimmend: »Bi-lal kaifa.«
»Wir werden die Dünen bepflanzen, damit sie nicht mehr fortlaufen können«, fuhr Stilgar fort. »Und wir bewahren das Wasser mit Hilfe von Bäumen und Büschen im Boden.«
»Bi-lal kaifa«, erwiderten die Fremen.
»Von Jahr zu Jahr zieht sich das Polareis zurück«, sagte Stilgar.
»Bi-lal kaifa«, sangen die Männer.
»Wir werden eine Heimat aus Arrakis machen, mit Schmelzlinsen an den Polen, mit Seen in den gemäßigten Zonen. Die Wüsten werden nur noch weit draußen existieren, für den Bringer und das Gewürz.«
»Bi-lal kaifa.«
»Und kein Mensch wird jemals wieder nach Wasser dürsten. Jeder soll das aus Brunnen, Teichen, Seen oder Kanälen schöpfen können, was er will. Das Wasser wird durch die Qanats fließen und unsere Pflanzen bewässern. Es wird da sein, für jeden, der es braucht. Und es wird ihm gehören, wenn er nur die Hand ausstreckt.«
»Bi-lal kaifa.«
Jessica spürte das religiöse Ritual in seinen Worten und stellte fest, daß sie, gleich den anderen, jedesmal mit den gleichen Worten der Bestätigung geantwortet hatte. Sie haben mit der Zukunft einen Pakt geschlossen, dachte sie. Sie haben sich einen Berg dahingestellt, den sie zu erklimmen bereit sind. Dies ist der Wunschtraum eines jeden Wissenschaftlers ... und diese einfachen Leute, dieses Wüstenvolk ist davon erfüllt.
Sie dachte an Liet-Kynes, den planetaren Ökologen des Imperators, zurück, den Mann, der sich den Eingeborenen angepaßt hatte. Und sie wunderte sich über ihn. Dies alles war ein Traum, der die Seelen der Menschen für sich gefangennahm, und sie glaubte, die Hand des Ökologen dahinter zu verspüren. Es war ein Traum, für den Menschen gerne bereit waren zu sterben. Und das gehörte zu den wichtigsten Voraussetzungen, derer ihr Sohn dringend benötigte: ein Volk mit einem Ziel. Es würde nicht schwer sein, ein solches Volk zu begeistern und mitzureißen; sie würden sich leicht in das Schwert verwandeln lassen, das Paul benötigte, wollte er den ihm zustehenden Platz zurückerobern.
»Wir werden jetzt gehen«, sagte Stilgar, »und darauf warten, daß der erste Mond aufgeht. Wenn Jamis sicher auf seinem Weg ist, gehen auch wir nach Hause.«
Zustimmend murmelnd warfen die Männer noch einen sehnsüchtigen Blick auf das Bassin und machten sich dann wieder an den Aufstieg.
Paul, der hinter Chani ging, spürte jetzt, daß ein bestimmter Moment an ihm vorübergezogen war, ohne daß er eine grundsätzliche Entscheidung getroffen hätte. Er war ganz in seinem eigenen Mythos gefangen. Ihm war sicher, daß er diesen Ort bereits vorher gesehen und in einem Fragment eines Voraustraums auf Caladan erforscht hatte. Jetzt mußte er jedoch feststellen, daß der Platz ihm Details gezeigt hatte, die ihm unbekannt gewesen waren. Irgendwie berührten ihn die Grenzen seiner Kraft mit einem unverständlichen Schauder. Er kam sich vor, als ritte er auf einem Zeitstrom, manchmal in seiner Mitte, manchmal an seinem Rand, während links und rechts, oben und unten weitere Ströme dahinjagten, die ihm die Sicht versperrten.
Egal, wie er sich auch auf ihm bewegte: Überall vor ihm war der Djihad, die Gewalt, das Gefecht.
Durch die letzte Tür schlüpfte die Truppe zurück in die Haupthöhle; der Eingang wurde wieder versiegelt. Man löschte das Licht, entfernte die Vorhänge vom Ausgang und sah hinaus auf das Land, wo nun die Sterne sichtbar wurden.
Jessica näherte sich dem Loch und starrte hinauf zum Himmel. Die Sterne leuchteten klar und schienen nahe. Die Unruhe, die die Männer nun befiel, blieb ihr nicht verborgen. Irgendwo hinter ihr wurde das Baliset gestimmt, dann summte Pauls Stimme einen
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