Dune 01: Der Wüstenplanet
zeigte einen an einem weißen Sandstrand sitzenden KÖI-Delegierten, der im Schatten einer Palme sang:
»Bei Gott und Ehr' und Einigkeit –
Erbarmt euch unser,
Teilt das Leid.
Wo wir so arbeitsam hier wirken,
Da können Troubadoure nichts
Als unsre Mühen abzuwürgen.«
Grundsätzlich stellen Kabaretts und Unruhen jene Symptome dar, in denen sich eine Zeit widerspiegelt, die von tiefer Unsicherheit geprägt ist, und sorgen für einen psychologischen Einblick in die Verhältnisse: sie offenbaren das Streben nach etwas Besserem und zeigen gleichzeitig, daß dennoch alles umsonst ist.
Die Hauptbollwerke gegen die Anarchie dieser Epoche stellten die damals noch im Embryonalstadium befindliche Gilde, die Bene Gesserit und der Landsraad dar, die auch unter größten Hindernissen weiterhin zusammenarbeiteten.
Die Rolle der Gilde ist klar: Sie garantierte allen KÖI-Delegierten und Landsraad-Unternehmungen freien Transport. Obskurer dagegen die Rolle der Bene Gesserit: sie beschäftigte sich bereits wieder (obwohl sie offiziell damit begonnen hatte, ihre Zauberinnen aus dem Verkehr zu ziehen) damit, subtile Narkotika zu erforschen, die Prana-Bindu-Ausbildung voranzutreiben und die Missionaria Protectiva ins Leben zu rufen, die den schwarzen Arm des Aberglaubens darstellte. Gleichzeitig brachte sie jedoch auch die Litanei gegen die Furcht heraus und stellte das Azhar-Buch zusammen, jenes bibliographische Wunderwerk, das die großen Geheimnisse frühzeitlicher religiöser Bewegungen der Nachwelt erhielt. Möglicherweise ist die Erklärung Ingsleys die einzig richtige: »Es waren nun einmal Zeiten tiefster Verwirrung.«
Fast sieben Jahre lang arbeitete die KÖI hinter verschlossenen Türen. Dann, vor dem siebten Jahrestag ihrer Gründung, bereitete sie den von Menschen beherrschten Teil des Universums auf eine wichtige Bekanntmachung vor, die sie, nachdem das Jahr abgelaufen war, präsentierte. Es war die Orange-Katholische-Bibel.
»Dieses Buch«, so ließ man verlauten, »stellt eine Arbeit von hohem Rang und größter Bedeutung dar. Es wird uns den Weg zeigen, allen Menschen bewußt zu machen, daß sie ausschließlich eine Schöpfung Gottes sind.«
Man verglich die KÖI-Delegierten mit von Gott inspirierten Geistern und schob sie, so vorbereitet, glanzvoll in die Öffentlichkeit. Sie waren ›Wiederentdecker‹. Es hieß, daß sie ›allein die großen Ideen der Vergangenheit, die die Jahrhunderte der Vergessenheit hätten anheim fallen lassen‹, ans Licht gezerrt und ›die moralischen Imperative, die das religiöse Bewußtsein erzeugt‹, zu neuem Leben erweckt hätten.
Zusammen mit der Orange-Katholischen-Bibel präsentierte die KÖI den Gläubigen das Liturgische Manual und die Kommentare (ein in vielen Aspekten bemerkenswertes Buch: es nahm weniger als die Hälfte des Umfangs der O.-K.-Bibel in Anspruch), die nicht nur durch ihre Prägnanz bestachen, sondern durch ihre Aufrichtigkeit sowie das Fehlen aller unnötigen Selbstgerechtigkeit auffielen.
Ihr Anfang bestand aus einem offensichtlichen Appell an die agnostische Herrscherklasse:
»Die Menschen, die in der Sunnah (die 10 000 religiösen Fragen aus dem Shari-A) keine Antworten fanden, glauben nun, dem eigenen Urteilsvermögen mehr abgewinnen zu können, doch suchen auch sie nach der Erleuchtung. Die Religion ist nichts anderes als die älteste und ehrenhafteste Form jener menschlichen Bestrebung, die nach dem Sinn von Gottes Universum fragt. Wissenschaftler forschen nach der Gesetzmäßigkeit von Ereignissen. Es ist die Aufgabe der Religion, den Menschen in die Gesetzmäßigkeit mit einzubeziehen.«
Auch was ihre Schlüsse anbetraf, schlug die Kommission einen Ton an, der ihr späteres Schicksal im voraus ahnen ließ:
»Vieles von dem, was sich bisher Religion nannte, transportierte eine unbewußte feindselige Haltung gegenüber dem Leben. Wirkliche Religion muß die Lehre verbreiten, daß das Leben ein Born der Freude ist, der Gottes Auge erfreut, daß Wissen ohne Aktion Leere bedeutet. Alle Menschen müssen erkennen, daß eine Religion, die nach festen Regeln und starren Ritualen verfährt, hauptsächlich Verblendung hervorruft. Die eigentliche Religion erkennt man gerade an ihrer Zwanglosigkeit, und man kann sie betreiben, ohne sich minderwertig zu fühlen, weil sie in einem Gefühle erweckt, die einem sagen, daß dies etwas ist, was man schon immer gewußt hat.«
Als die Pressen anliefen und die Orange-Katholischen Bibeln über die Welten
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