Dune 01: Der Wüstenplanet
zu einer klaren Entscheidung.
Es war die Zeit, in der man dazu überging, die Genesis zurückzuinterpretieren als: »Seid fruchtbar und mehret euch und füllet das Universum und macht es euch untertan. Herrscht über alle Arten von Getier und Lebewesen in den unendlichen Himmeln, auf den unendlichen Erden und dem, was sich in und auf ihnen befindet.« Es war die Zeit der neuen Hexen, die über wirklich magische Kräfte verfügten und so später stolz darauf hinweisen konnten, daß keine von ihnen auf dem Scheiterhaufen gelandet war.
Und dann brach Butlers Djihad aus – zwei schreckliche Generationen lang. Man überwand den Gott der Maschinologik und verkündete den Massen einen neuen Erlaß: »Nichts darf den Menschen ersetzen.« Für die Menschheit wurde dieser zwei Generationen andauernde Feldzug der Gewalt zu einer thalamischen Pause. Sie blickte zu ihren Göttern auf, besah sich die ihnen zu Ehren praktizierten Rituale und stellte fest, daß beide der schrecklichsten aller Gleichungen nahekamen: in jedem Fall beherrschte die Angst vor ihnen jeglichen Ehrgeiz.
Zögernd begannen sich die Führer jener Religionen, deren Anhänger das Blut von Milliarden vergeudet hatten, zu treffen, um ihre Ansichten auszutauschen. Die Raumgilde, die damals gerade damit begann, ihr Monopol auf die interstellare Raumfahrt auszudehnen, gewährte ihnen, wie die Bene Gesserit, die begann, ihre Zauberinnen aus dem Verkehr zu ziehen, großzügige Unterstützung.
Das Ergebnis dieses ersten ökumenischen Konzils waren zwei Hauptverlautbarungen:
1. Die Feststellung, daß alle Religionen zumindest eine gemeinsame Ansicht teilten: »Du sollst die Seele nicht entstellen.«
2. Die Gründung der Kommission Ökumenischer Interpreten.
Die KÖI ließ sich auf einer neutralen Insel der alten Erde nieder, der Keimzelle aller Mutterreligionen, und traf sich dort im ›gemeinsamen Glauben, daß eine Göttliche Kraft im Universum existiert‹. Jede Kirche mit mehr als einer Million Anhänger war bei dieser Konferenz vertreten, die eine überraschend schnelle Einigung in bezug auf ihr gemeinsames Ziel sofort publizierte: »Wir haben uns hier versammelt, um die älteste Waffe den Händen aller religiösen Streiter zu entwinden: die Behauptung, einzig und allein im Besitz der reinen Wahrheit zu sein.«
Die Bekanntgabe dieser ›grundsätzlichen Übereinstimmung‹ war voreilig, denn sie war das einzige Statement, das man im Laufe eines ganzen Jahres von der KÖI erhielt. Die Gläubigen begannen bald über taktische Verzögerungen zu klagen, und die Troubadoure komponierten scharfzüngige und ätzende Lieder über die 121 ›alten Säcke‹, wie man die KÖI-Delegierten nannte. Eines dieser Spottlieder hat sich über Jahrhunderte gehalten und ist sogar heute noch populär:
»Angeblich zu unserm Wohl
Schwatzen Sie den alten Kohl.
Entscheiden aber tun Sie nix,
Die alten Säcke, voll im Wichs.
Was sie uns präsentiern, o Jack,
Ist alter Kack im neuen Frack.«
Gelegentlich drangen Gerüchte darüber an die Öffentlichkeit, daß die Kommission damit beschäftigt sei, die Texte aller Heiligen Bücher zu vergleichen. Man nannte auch unverantwortlicherweise bestimmte Textstellen, was zu spontanen antiökumenischen Zusammenrottungen führte. Auch dies inspirierte natürlich die Dichter zu Spottversen.
Zwei, drei Jahre vergingen.
Die Kommission – neun ihrer ersten Mitglieder waren zwischenzeitlich gestorben und ersetzt worden – gab bekannt, daß sie an einem neuen Heiligen Buch arbeitete, in dem alle pathologischen Symptome der Vergangenheit nicht mehr enthalten sein sollten. »Wir schreiben an einem Instrument der Liebe«, gaben sie zu, »die man auf alle Arten praktizieren kann.«
Viele von ihnen verstanden nicht, weshalb die Veröffentlichung dieses Planes die schlimmsten Gewaltakte gegen die Ökumene provozierte. Zwanzig Delegierte wurden auf der Stelle von ihren Pflichten in der KÖI entbunden, einer beging Selbstmord, indem er eine Raumfregatte entführte und sich damit in die Sonne stürzte.
Historiker schätzen, daß die Aufstände achtzig Millionen Opfer forderten, was für jede dem Landsraad angeschlossene Welt 6000 Tote bedeutete. Berücksichtigt man die unruhigen Zeiten dieser Periode, kann die Schätzung sogar noch untertrieben sein. Die Kommunikation zwischen den Welten erreichte den Nullpunkt.
Die Troubadoure hatten hingegen, wie vorherzusehen war, wieder mal einen guten Tag. Eine populäre musikalische Komödie jener Tage
Weitere Kostenlose Bücher