Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
unterzubringen war.
Die Waffe vor sich herschiebend, robbte Ghanima näher an die Lichtquelle heran. Sie mußte leise sein, damit sie das Rascheln der Alfalfasträucher nicht verriet. Während sie sich vorwärtsbewegte, musterte sie die Insekten, die sich um die Lichtquelle herum versammelt hatten. Es waren viele Stechmücken darunter, und das konnte bedeuten, daß ihr Opfer, wenn es von dem Geschoß getroffen wurde, gar nicht bemerkte, daß es angegriffen wurde. Gleichzeitig stellte sich Ghanima die Frage, auf wen von den beiden sie sich konzentrieren sollte: Den Mann oder die Frau?
Muriz. Der Name tauchte plötzlich in ihrem Bewußtsein auf. So hieß die Frau, erinnerte sie sich. Sie gehörte zu jenen, die Palimbasha umschwärmten wie die Insekten das Licht. Sie war eine von denen, die flatterhaft und geistig nicht gefestigt waren.
Sehr gut. Palimbasha hatte sich für diese Nacht auf jeden Fall die falsche Partnerin ausgesucht.
Ghanima nahm das Schlauchende in den Mund und rief sich ins Gedächtnis zurück, wie die Priesterin von Jowf sich verhalten hatte. Sie holte tief Luft, blies die Backen auf und pustete.
Palimbasha schlug sich gegen die Wange, zog die Hand zurück und stellte fest, daß sich Blut auf ihr befand. Die Nadel selbst war nirgendwo zu sehen. Möglicherweise hatte er sie mit der Handbewegung fortgeschleudert.
Die Frau sagte irgend etwas Schmeichelhaftes, und Palimbasha lachte. Gleichzeitig begannen seine Beine unkontrolliert zu zittern und gaben nach. Er stieß einen stummen Schrei aus und fiel gegen die Frau, die versuchte, ihn zu stützen. Sie kämpfte immer noch mit dem Gewicht des Mannes, als Ghanima plötzlich neben ihr stand und die Spitze des blanken Crysmessers gegen ihre Hüfte drückte.
In freundlichem Tonfall sagte sie: »Du solltest keine plötzlichen Bewegungen machen, Muriz. Mein Messer ist vergiftet. Und Palimbasha kannst du ruhig fallenlassen. Er ist tot.«
30
In allen gesellschaftlichen Gruppen findet man Kräfte, die versuchen, die Macht durch Worte zu erringen. Vom Medizinmann über den Priester bis hin zum Bürokraten sind sie sich alle gleich. Eine beherrschte Bevölkerung muß darauf konditioniert werden, Machtworte als tatsächliche Dinge hinzunehmen und das symbolisierte System des greifbaren Universums zu verwirren. Um solche Machtstrukturen zu erhalten, werden allgemeinverständliche Symbole verborgen gehalten, um deren Verständnis zu erschweren – solche etwa, die die Manipulation der Wirtschaft erklären, oder jene, die die Kriterien geistiger Gesundheit artikulieren. Die Symbolträchtigkeit dieser Kommunikationsformen führt zum Voranschreiten fragmentarischer Subsprachen, die für jedes Lebewesen ein Signal darstellen, daß ihre Benutzer irgendeine Form von Macht akkumulieren. Aufgrund dieser Erfahrung müssen unsere imperialen Sicherheitskräfte sich diesen Subsprachen gegenüber besonders mißtrauisch zeigen.
Vorlesung an der Kriegshochschule in Arrakeen,
abgehalten von Prinzessin Irulan
»Es ist vielleicht gar nicht nötig, Ihnen das zu sagen«, meinte Farad'n, »aber um allen Irrtümern aus dem Wege zu gehen, sollten Sie wissen, daß uns jemand überwacht, der Sie beide beim geringsten Anzeichen, daß ich den Kräften irgendwelcher Hexerei unterworfen werde, töten wird.«
Er erwartete nicht, daß jemand auf seine Worte reagierte. Sowohl Lady Jessica als auch Duncan Idaho wurden in dieser Beziehung seiner Erwartung gerecht.
Mit weiser Voraussicht hatte er für dieses erste Zusammentreffen Shaddams alten Audienzraum ausgewählt. Was er an Pomp vermissen ließ, machte er mit den Annehmlichkeiten seiner Ausstattung doch wieder wett. Draußen herrschte ein kalter Winternachmittag, aber die Beleuchtung dieses fensterlosen Raumes erzeugte in allen Anwesenden die Illusion eines strahlend hellen Sommertags. Goldenes Licht fiel von der Decke, an der kristallene Leuchtgloben ixianischer Produktion hingen.
Die Nachrichten von Arrakis erfüllten Farad'n mit Hochstimmung. Leto, der männliche Zwilling, war tot, war von einem mörderischen Tiger umgebracht worden. Ghanima, die überlebende Schwester, befand sich in der Obhut ihrer Tante und war offensichtlich bettlägerig. Der Gesamtbericht erklärte auch einiges über die Anwesenheit von Duncan Idaho und Lady Jessica. Sie suchten Asyl. Die Spione der Corrinos berichteten von einem momentanen Waffenstillstand auf Arrakis. Alia hatte sich bereit erklärt, sich einem Gottesurteil zu unterwerfen, dessen
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