Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
frühzeitliche Lebewesen als Kollision zwischen dem menschlichen Körper und dem ihm umgebenden Chaos des Universums identifizieren konnte.
In diesem Zusammenhang fühlte Ghanima sich als echte Fremen, als sorgfältig vorbereitete Verlängerung der Brutalität des Stammes. Alles, was sie brauchte, war ein Ziel – und das war ganz offensichtlich das Haus Corrino. Sie sehnte sich danach, das Blut Farad'ns vor sich auf dem Boden verspritzt zu sehen.
Kein Feind lauerte am Qanat auf sie. Sogar die Suchtrupps waren irgendwo untergetaucht. Sie überquerte das Wasser, indem sie eine Brücke benutzte und robbte durch das hohe Gras auf den geheimen Gang zu. Über ihr leuchtete plötzlich ein Licht auf und veranlaßte sie, sich eng an den Boden zu pressen. Sie warf einen Blick durch die hohen Alfalfastengel und sah, daß eine Frau sich an dem Geheimgang zu schaffen machte, als hätte sie sich daran erinnert, daß es hier einen gab. Sicher prüfte sie jetzt nach, ob er verschlossen war oder nicht. Fand sie heraus, daß er von innen geöffnet worden war, konnte das darauf hindeuten, daß Ghanima ihn auch für die Rückkehr vorgesehen hatte. In schweren Zeiten begrüßte man jeden, der durch einen solchen Gang in den Sietch einzudringen versuchte, zunächst mit einem hellen Lichtstrahl. War der Eindringling geblendet, hatten die Wachen genügend Zeit, ihn anzusehen und eine Entscheidung zu treffen. Aber niemals agierten sie so auffällig, daß sie die halbe Wüste dabei beleuchteten.
Ghanima fühlte Bitterkeit in sich aufsteigen. Die Spuren der völlig verstädterten Fremen ließen sich einfach nicht übersehen.
Der Lichtstrahl setzte seinen Weg über die seitlichen Klippen fort.
Ein junges Mädchen kam aus der Dunkelheit des Gartens; ihre Bewegungen signalisierten, daß sie sich nicht ganz wohl in ihrer Haut fühlte. Ghanima konnte den Strahl in aller Deutlichkeit wandern sehen. Er beschrieb einen Kreis, und dort, wo er hinfiel, versammelten sich sofort ganze Insektenscharen. Plötzlich beleuchtete er zwei Gestalten: Einen Mann und das Mädchen. Sie hielten einander bei den Händen und sahen sich in die Augen.
Ghanima spürte augenblicklich, daß mit diesen beiden etwas nicht stimmte. Sie waren nicht einfach zwei Verliebte, die sich für kurze Zeit von den Suchtrupps weggestohlen hatten, um sich hier einem kurzfristigen Vergnügen hinzugeben. Das Licht glitt unschlüssig über ihren Köpfen dahin und bahnte sich seinen Weg. Die beiden folgten dem leuchtenden Pfeil, und ihre Gestalten warfen lange Schatten, die jede Bewegung einem eventuellen Beobachter verdeutlichten. Hin und wieder hob der Mann die Hand und deutete in das Licht hinein. Er machte scharfe, eckige Bewegungen und tauchte dann wieder hinter seinem Schatten unter.
Vereinzelte Geräusche von Nachttieren waren zu hören. Sie ignorierte sie; auf keinen Fall durfte sie sich jetzt ablenken lassen.
Was hatten die beiden hier draußen verloren?
Die Bewegungen des Mannes waren zu ebenmäßig und vorsichtig, um natürlich zu sein.
Er wandte sich plötzlich um. Die Robe, die das Mädchen trug, fing für eine Sekunde den wandernden Lichtstrahl auf und reflektierte ihn. Ghanima sah das Gesicht des Mannes. Es hatte rauhe Züge, leuchtete dunkelrot. Seine große Nase war von Pickeln übersät. Ghanima holte tief Luft. Sie kannte ihn. Palimbasha! Er war der Enkel eines Naibs, dessen Söhne in den Diensten Paul Atreides' ums Leben gekommen waren. Sein Gesichtsausdruck und ein anderer Gegenstand, der sichtbar wurde, als sich seine Robe leicht öffnete, sagten ihr genug. Unter seinem Umhang trug der Mann einen Gürtel, an dem eine Vorrichtung hing, auf der mehrere Schalter und Tasten aufleuchteten. Es handelte sich um ein Instrument aus der Produktion der Tleilaxu oder der Ixianer, daran zweifelte sie nicht. Und das mußte der Servosimulator sein, der die Tiger gesteuert hatte. Palimbasha! Das bedeutete, daß eine weitere Naib-Familie zum Haus Corrino übergelaufen war.
Aber wer war die Frau? Was soll's, sagte sie sich, irgend jemand, den Palimbasha benutzte.
Ein ungebetener Gedanke drängte sich Ghanimas Bewußtsein auf. Ein Axiom der Bene Gesserit: Jeder Planet durchläuft seine eigenen Perioden, ebenso wie das Leben.
Sie erinnerte sich gut an Palimbasha, jetzt, wo er neben der Frau herging. Er unterrichtete in der Sietch-Schule Mathematik. Und er war ein Narr. Er hatte versucht, seinen Schülern Muad'dib auf mathematische Weise zu erklären, bis die Priesterschaft es
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