Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
etwas nach links hielt, sah Idaho auf die gegenüberliegende Bergwand hinab. Die Straße setzte sich dort fort, beschrieb einen sanften Bogen und wurde schließlich zu einer geraden, sich nach Norden ziehenden Linie. Es gab hier zwei Wälle und dazwischen den Fluß. Der Fluß ging durch eine von Menschenhand erschaffene Kluft, wo seine Feuchtigkeit gefangengehalten und in einen nordwärts verlaufenden Windkanal geleitet wurde, während der Strom selbst nach Süden floß.
Dann beachtete er den Fluß nicht mehr. Er war da – und er würde auch morgen noch da sein. Idaho richtete seine Aufmerksamkeit auf die Brücke und untersuchte sie nach militärischen Gesichtspunkten. Er nickte einmal vor sich hin, dann drehte er sich um, marschierte den Weg wieder zurück und nahm während des Gehens das dünne Seil von der Schulter.
Nayla hatte ihren Orgasmus erst, als sie sah, wie sich das Seil die Felswand herunterschlängelte.
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Was ich ausmerze? Die bourgeoise Verblendung vom gütlichen Erhalt der Vergangenheit. Dies ist eine verbindende Kraft, etwas, das die Menschheit trotz der vermeintlichen Zersplitterung über Parsek hinweg in eine verwundbare Einheit faßt. Wenn ich die verstreuten Bruchstücke finden kann, können andere es auch. Wenn ihr zusammen seid, könnt ihr an einer allgemeinen Katastrophe teilhaben. Ihr könnt miteinander ausgerottet werden. Also zeige ich euch die entsetzliche Gefahr einer schleichenden, leidenschaftslosen Mittelmäßigkeit, eine Bewegung ohne Ambitionen oder Ziele. Ich zeige euch, daß sich ganze Kulturen so verhalten können. Ich schenke euch Äonen eines Lebens, das ganz langsam auf den Tod zuführt, ohne Umwege und Behinderungen, ohne auch nur nach einem Warum zu fragen. Ich führe euch ein falsches Glück und die Schattenkatastrophe namens Leto, den Gott-Kaiser, vor. Werdet ihr nun das wirkliche Glück erkennen?
Die gestohlenen Journale
Nachdem er während der Nacht nur kurz und nicht sonderlich tief geschlafen hatte, war Leto wach, als Moneo im Morgengrauen das Gästehaus verließ. Man hatte den kaiserlichen Wagen fast genau in der Mitte des dreieckigen Hofes abgestellt. Seine Kuppel war so eingestellt, daß sie nur von innen her durchsichtig war und ihren Bewohner verbarg. Des weiteren war sie gegen die Feuchtigkeit abgeschirmt. Leto hörte das leise Summen der Ventilatoren, die seine Luft einem Trocknungsprozeß unterzogen.
Als Moneo auf den Wagen zuging, schrammten seine Füße über den Kieselbelag des Hofes. Das Morgenlicht fiel rötlich auf das sich hinter dem Majordomus erhebende Dach des Gästehauses.
Als Moneo vor ihm stehenblieb, öffnete Leto die Wagenkuppel. Ätzender Erdgeruch lag in der Luft. Die Ansammlung von Feuchtigkeit, die die Brise herantrug, war schmerzhaft.
»Wir sollten etwa gegen Mittag in Tuono sein«, sagte Moneo. »Ich wünschte, ich hätte Thopter mitnehmen dürfen, um den Himmel zu bewachen.«
»Ich möchte keine Thopter«, sagte Leto. »Wir können mit den Suspensoren und Seilen nach Tuono hinabsteigen.«
Leto war erstaunt über die plastischen Vorstellungen, die dieser kurze Wortwechsel ergab. Moneo war nie gern zu Fuß gegangen. Seine Jugend als Rebell hatte ihn mit einem Mißtrauen gegenüber allem ausgestattet, das er nicht sehen oder einstufen konnte. Unterschwellig war er stets dabei, etwas zu beurteilen.
»Du weißt, Herr, daß ich die Thopter nicht für Transportzwecke einsetzen will«, sagte Moneo. »Ich will nur, daß sie den Himmel ...«
»Ja, Moneo.«
Moneo sah an Leto vorbei auf das offene Ende des Hofes, von dem aus man das Flußtal überblickte. Das Morgenlicht ließ den aus der Tiefe heraufsteigenden Nebel wie Zuckerguß erscheinen. Er dachte daran, wie tief dieser Canyon war – und stellte sich einen fallenden Körper vor, der während des Absturzes langsam um die eigene Achse kreiste. Moneo hatte in der vergangenen Nacht festgestellt, daß er unfähig war, sich diesem Abgrund zu nähern und in die Tiefe zu blicken. Die Kluft war eine ... eine zu große Versuchung.
Und mit der einsichtigen Kraft, die Moneo stets mit Ehrfurcht erfüllte, sagte Leto: »In jeder Versuchung steckt eine Lehre, Moneo.«
Moneo wandte sich sprachlos um und sah Leto in die Augen.
»Schau dir die Lehre an, die in meinem Leben steckt, Moneo.«
»Herr?« Es war nur ein Flüstern.
»Zuerst hat man mich mit dem Bösen versucht, dann mit dem Guten. Jede Versuchung hat auf vorzügliche Weise meine Empfänglichkeiten berücksichtigt. Sag mir,
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