Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
gefährlichen Weise an die Tleilaxu gehängt haben. Sag ihnen also, daß ich über ihre Ziele absolut im Bilde bin!«
»Herr, ich weiß nicht das geringste von ...«
»Ich weiß genau, wie sie dich benutzen, Hwi. Aus diesem Grunde kannst du deinen Herren auch sagen, daß du die ständige Botschafterin an meinem Hof bleiben wirst. Ich will keinen anderen Ixianer hier sehen. Und sollten deine Herren meine Warnungen ignorieren und weiterhin versuchen, meine Wünsche zu sabotieren, werde ich sie zerschmettern.«
Aus Hwi Norees Augen quollen Tränen. Sie liefen über ihre Wangen, aber Leto war dankbar, daß sie nicht noch auf die Idee kam, vor ihm auf die Knie zu fallen.
»Ich habe sie bereits gewarnt«, sagte sie. »Das habe ich wirklich getan. Ich sagte ihnen, sie müßten Euch gehorchen.«
Leto sah, daß ihre Worte stimmten.
Welch ein wundervolles Geschöpf, diese Hwi Noree, dachte er. Sie schien die Personifikation der Güte zu sein und war ganz offensichtlich von ihren ixianischen Herren herangezüchtet und konditioniert worden, um diese Qualifikation zu erfüllen. Man hatte sorgfältig auskalkuliert, welchen Effekt dies auf den Gott-Kaiser haben würde.
Aufgrund der zahllosen Erinnerungen seiner Vorfahren konnte er sie als eine idealisierte Nonne sehen. Sie war lieb, aufopferungsbereit und durch und durch aufrichtig. Darauf basierte ihr Charakter; sie konnte gar nicht anders. Für sie war es am einfachsten, ehrlich und offen zu sein – und wenn sie sich anders verhielt, dann nur, um anderen einen Schmerz zu ersparen. Leto sah diesen letzten Charakterzug als die tiefste Veränderung an, die die Bene Gesserit in ihr hatten hervorrufen können. Hwis tatsächliches Benehmen blieb mitteilsam, empfindlich und war von natürlichem Liebreiz. Leto konnte in ihr nur wenig von der ausgeklügelten Manipulation entdecken, der man sie unterzogen hatte. Sie erschien ihm aufgeschlossen und kraftvoll – und sie war eine exzellente Zuhörerin (und auch das war ein Attribut der Bene Gesserit). An ihr war nichts offen Verführerisches – aber gerade dies machte sie für Leto noch anziehender.
Was hatte er noch zu einem der früheren Duncans bei einer ähnlichen Gelegenheit gesagt? »Du mußt eines von mir wissen – etwas, das manche Leute offenbar vermuten: Manchmal habe ich die unvermeidliche Wahnvorstellung und das Gefühl, daß irgendwo im Innern dieses sich verändernden Körpers eine ausgewachsene männliche Gestalt existiert, die alle notwendigen Funktionen erfüllen kann.«
» Alle, Herr?« hatte der Duncan gefragt.
»Alle! Ich fühle jene Teile meiner selbst, die längst entschwunden sind. Ich kann meine Beine spüren. Für meine Sinne sind sie wirklich und fühlbar da. Ich spüre das Pumpen meiner menschlichen Drüsen, von denen einige gar nicht mehr existieren. Ich spüre sogar meine Genitalien, die, wie mir sehr wohl bewußt ist, seit Jahrhunderten nicht mehr vorhanden sind.«
»Aber wenn du genau weißt ...«
»Das Wissen unterdrückt nicht die entsprechenden Gefühle. Die verschwundenen Teile meines Ichs existieren weiter in meinen persönlichen Erinnerungen und den multiplen Identitäten meiner gesamten Vorfahren.«
Als Leto auf die vor ihm stehende Hwi hinabsah, half ihm das Wissen, daß er keinen Schädel mehr hatte und daß das, was einst sein Gehirn gewesen war, nun aus einem komplexen Gangliennetz bestand, das sich durch seinen gesamten Wurmkörper zog, allerdings auch nicht weiter. Nichts half. Er spürte dort, wo sein Gehirn einst gewesen war, immer noch einen Schmerz. Er fühlte immer noch das Pochen in seinem Schädel.
Aber indem sie vor ihm stand, machte Hwi ihm seine verlorene Menschlichkeit schmerzlich bewußt. Es war zuviel für ihn, und er stöhnte verzweifelt:
»Warum foltern deine Herren mich?«
»Herr?«
»Indem sie dich geschickt haben!«
»Ich wollte Euch nicht weh tun, Herr.«
»Allein durch deine Existenz tust du mir schon weh!«
»Das wußte ich nicht.« Sie hielt ihre Tränen jetzt nicht mehr zurück. »Man hat mir nie erzählt, was man wirklich vorhat.«
Leto sammelte sich und sagte leise: »Verlasse mich nun, Hwi! Geh deinen Geschäften nach, aber kehre schnell zurück, wenn ich nach dir rufe!«
Sie ging still hinaus, aber Leto sah, daß auch Hwi Noree Qualen litt. Die tiefe Traurigkeit, die sie aufgrund der Tatsache erfüllte, daß Leto seine Menschlichkeit geopfert hatte, war nicht falsch zu deuten. Sie wußte, was auch Leto wußte: Daß sie Freunde und Geliebte hätten
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