Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
Meer.«
»Ja, also, mein Hund konnte keine Muscheln ausstehen, weil eine von ihnen mal die Unverfrorenheit an den Tag gelegt hatte, ihm ins Auge zu spucken. Das brennt. Aber was noch schlimmer war – da war nur ein unschuldiges Loch im Boden, das spuckte. Keine Muschel war zu sehen.«
»Was hat Ihr Hund gemacht?« Teg beugte sich vor, legte das Kinn auf die Faust.
»Er hat den frechen Burschen ausgegraben und zu mir gebracht.« Idaho grinste. »Erkenntnis eins: Laß dir vom Unbekannten nicht ins Auge spucken!«
Teg lachte und klatschte in die Hände.
»Aber sieh es auch vom Standpunkt des Hundes. Greif dir den Spucker! Und dann – die herrliche Belohnung: Herrchen freut sich.«
»Hat Ihr Hund noch weitere Muscheln ausgegraben?«
»Jedesmal, wenn wir an den Strand gingen. Er jagte knurrend hinter den Spuckern her, und Herrchen nahm sie ihm weg, so daß sie nie wieder auftauchten – es sei denn als leere Hüllen, an denen noch ein wenig Muschelfleisch hing.«
»Sie haben sie gegessen.«
»Sieh es, wie es der Hund sah. Die Spucker kriegen ihre Strafe. Er hat eine Möglichkeit, die Welt von angriffslustigen Biestern zu befreien, und Herrchen ist mit ihm zufrieden.«
Teg demonstrierte seine Klugheit. »Halten die Schwestern uns für Hunde?«
»In etwa. Vergiß das nie! Wenn du in dein Zimmer zurückgehst, schlag unter ›lèse majesté‹ nach. Es hilft einem, seine Beziehung zu unseren Herrchen zu bestimmen.«
Teg schaute zu den Kom-Augen auf, dann zu Idaho zurück, aber der sagte nichts.
Idaho richtete seine Aufmerksamkeit auf die hinter Teg befindliche Tür und sagte: »Die Geschichte war auch für dich bestimmt.«
Teg sprang auf die Beine, drehte sich um, und erwartete, die Mutter Oberin zu sehen. Aber es war nur Murbella.
Sie lehnte sich gegen die Wand neben der Tür.
»Es wird Bell nicht gefallen, wenn du so über die Schwesternschaft redest«, sagte sie.
»Odrade hat gesagt, ich hätte freie Hand.« Er schaute sich nach Teg um. »Wir haben genug Zeit mit Geschichten vergeudet. Laß mich sehen, ob dein Körper etwas gelernt hat!«
Ein seltsames Gefühl der Erregung hatte sich Murbellas bemächtigt, als sie die Übungssektion betreten und Duncan mit dem Kind gesehen hatte. Wissend, daß sie ihn in einem neuen, beinahe im Licht der Bene Gesserit sah, hatte sie ihn eine Zeitlang beobachtet. In Duncans offenem Umgang mit Teg zeigte sich seine Einweisung durch die Mutter Oberin. Ihr neues Bewußtsein war ein extrem seltsames Gefühl; als hätte sie sich einen vollen Schritt von ihren früheren Gefährtinnen entfernt. Das Gefühl war heftig, wie ein Verlust.
Murbella stellte fest, daß sie eigenartige Dinge aus ihrem früheren Dasein vermißte. Nicht das Jagen in den Straßen, das Aufspüren neuer Männer, die man fing und der Kontrolle der Geehrten Matres unterstellte. Das Machtgefühl, das aus dem Erzeugen sexuell Abhängiger entstand, hatte angesichts der Bene Gesserit-Lehren und ihrer Erfahrung mit Duncan an Reiz verloren. Sie gestand sich ein, daß sie ein Element dieser Stärke vermißte: das Gefühl, einer Macht anzugehören, die unaufhaltsam war.
Es war abstrakt, aber auch charakteristisch. Nicht die ständigen Eroberungen, aber die Erwartung des unvermeidlichen Sieges, der teilweise aus der Droge entstand, die sie mit ihren Mitschwestern geteilt hatte. Als ihre Gier nach dem Wechsel zu Melange versiegt war, hatte sie ihre alte Abhängigkeit aus einer anderen Perspektive gesehen. Die Chemiker der Bene Gesserit hatten in Proben ihres Blutes den Adrenalin-Ersatz aufgespürt und hielten ihn für sie bereit, falls sie ihn brauchen würde. Aber sie wußte, dem war nicht so. Noch ein Entzug plagte sie. Nicht die gefesselten Männer, sondern deren Überfluß. Etwas in ihrem Innern sagte ihr, daß dies für immer vorbei war. Sie würde diese Erfahrung nie wieder machen. Neues Wissen hatte ihre Vergangenheit einer Veränderung unterworfen.
An diesem Morgen war sie auf dem Korridor zwischen ihrem Quartier und dem Übungsraum auf und ab gelaufen. Sie wollte Duncan und dem Kind zusehen, hatte jedoch Angst gehabt, ihre Anwesenheit könne stören. Sie ging neuerdings oft in dieser Weise auf und ab, nachdem sie die anstrengenderen Morgenlektionen einer Ehrwürdigen Mutter über sich hatte ergehen lassen. In diesen Situationen dachte sie oft an die Geehrten Matres.
Sie konnte dem Verlustgefühl nicht entfliehen. Es war eine Leere jener Art, daß sie sich fragte, ob es etwas gäbe, das sie füllen könnte.
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