Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
linken Hand. Ihr Haar war grau. Einige Strähnen lugten unter dem es bändigenden grünen Kopftuch hervor und hingen um ihre Augen, betonten ihre Lachfältchen. Sie wirkte ... großmütterlich.
Der Mann paßte zu ihr, als hätte ihn der gleiche Künstler als perfekten Gefährten entworfen. Eine schlabbrige Latzhose über einem gewölbten Bauch. Kein Hut. Die gleichen dunklen Augen, in denen Reflexe blitzten. Ein Büschel kurzgeschnittenen, drahtigen grauen Haars.
Er hatte den gutmütigsten Gesichtsausdruck, den Idaho je gesehen hatte. Nach oben gewölbte Schmunzelfalten an den Mundwinkeln. Er hielt eine kleine Schaufel in der Linken, und auf der ausgestreckten rechten Handfläche balancierte er etwas, das ein kleiner Ball aus Metall zu sein schien. Der Ball stieß ein durchdringendes Pfeifen aus, so daß Idaho sich die Ohren zuhalten mußte. Es brachte den Klang jedoch nicht zum Schweigen. Er verstummte von selbst. Idaho ließ die Hände wieder sinken.
Verläßliche Gesichter. Dieser Gedanke erweckte Idahos Mißtrauen, weil er die Vergangenheit nun erkannte. Sie sahen irgendwie wie Gestaltwandler aus, trotz ihrer Stupsnasen.
Er beugte sich vor, aber die Vision blieb gleich weit entfernt. »Gestaltwandler«, flüsterte er.
Das Netz und das ältliche Pärchen verschwanden.
Sie wurden ersetzt durch Murbella in einem Übungsraum-Trikot von glänzender Ebenholzfarbe. Er mußte den Arm ausstrecken und sie berühren, bevor er glauben konnte, daß sie wirklich da war.
»Duncan, was ist los? Du schwitzt ja so.«
»Ich ... glaube, es liegt an etwas, das diese verdammten Tleilaxu mir eingebaut haben. Ich sehe ständig ... Ich glaube, es sind Gestaltwandler. Sie ... sie schauen mich an, und ... und eben ... ein Pfeifen. Es schmerzt.«
Sie schaute zu den Kom-Augen hinauf, schien aber nicht beunruhigt zu sein. Davon mußten die Schwestern wissen, auch ohne daß eine unmittelbare Gefahr bestand ... außer möglicherweise für Scytale.
Sie sank neben ihm auf die Knie und legte die Hand auf seinen Arm. »Etwas, das sie in den Tanks mit deinem Körper anstellten?«
»Nein!«
»Aber du sagtest ...«
»Mein Körper ist nicht nur ein neues Gepäckstück für diese Reise. Er weist alle Chemie und sämtliche Substanzen auf, die er je hatte. Es ist mein Geist, der anders ist.«
Das beunruhigte sie. Sie wußte, welche Sorgen sich die Bene Gesserit bezüglich unkontrollierbarer Fähigkeiten machten. »Verdammt sei Scytale!«
»Ich finde es heraus«, sagte er.
Er schloß die Augen und hörte, daß Murbella wieder aufstand. Ihre Hand zog sich von seinem Arm zurück.
»Vielleicht solltest du es nicht tun, Duncan.«
Ihre Stimme klang weit entfernt.
Denk nach! Wo haben sie das verdammte Ding versteckt? Tief in den Originalzellen? Bis zu diesem Augenblick hatte er seine Erinnerungsfähigkeit für ein Mentatenwerkzeug gehalten. Er konnte seine eigenen Abbilder aus längst vergangenen Zeiten vor einem Spiegel hervorrufen. Ganz nah, damit jede Altersrunzel sichtbar war. Die Frau hinter ihm ansehen – zwei Gesichter im Spiegel, und sein Gesicht voller Fragen.
Gesichter. Eine Abfolge von Masken, unterschiedliche Ansichten dieser Gestalt, die er ›ich selbst‹ nannte. Leicht unterschiedliche Gesichter. Manchmal mit grauem, manchmal mit dem kurzen Braunhaar, wie in seinem jetzigen Dasein. Manchmal humorvoll, manchmal ernst und nach einer inneren Weisheit strebend – um dem nächsten zu begegnen. Irgendwo in all dem lag ein Bewußtsein, das beobachtete und mit sich zu Rate ging. Jemand, der die Auswahl traf. Die Tleilaxu hatten daran herumgepfuscht.
Idaho spürte das schwere Pumpen seines Blutes, und er wußte, daß Gefahr im Anzug war. Dies war eine Erfahrung, die er machen sollte – aber nicht wegen der Tleilaxu. Er war damit geboren worden.
Dies ist, was es bedeutet, lebendig zu sein.
Keine Erinnerungen aus seinen früheren Leben, nichts, wofür die Tleilaxu verantwortlich waren, nichts davon veränderte sein tiefstes Empfinden um die geringste Kleinigkeit.
Er öffnete die Augen. Murbella war noch nahe bei ihm, aber ihr Ausdruck war verschleiert. So wird sie als Ehrwürdige Mutter aussehen.
Die Veränderung in ihr gefiel ihm nicht.
»Was passiert, wenn die Bene Gesserit den kürzeren ziehen?« fragte er.
Da sie nicht antwortete, nickte er. Ja, das ist die schlimmste Annahme. Die Schwesternschaft im Abflußrohr der Geschichte. Und das möchtest du nicht, meine Liebste.
Er sah es in ihrem Gesicht, als sie sich umdrehte und
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