Dune 07 - Die Jäger des Wüstenplaneten
redete sie in abfälliger Weise und mit harter Stimme über Corysta, nannte sie eine Säuglingsdiebin und bezichtigte sie, Verbrechen gegen die Bene Gesserit sowie die Geehrten Matres begangen zu haben.
Murbella bedachte die Schwester mit einem knappen, abschätzenden Blick. »Ist das wahr? Bist du eine notorische Säuglingsdiebin?«
Corysta hielt die Augen niedergeschlagen. »Ich habe an mich genommen, was mir ohnehin gehört hat. Nein, ich war das Opfer dieses Diebstahls. Ich hegte und pflegte beide Kinder aus Liebe, als es niemand sonst tun wollte.«
Murbella traf eine schnelle Entscheidung, da sie wusste, dass ihr nicht viel Zeit blieb. »Im Interesse eines beschleunigten und effizienten Ablaufs werde ich mit dir teilen .« Auf diese Weise konnte sie in kürzester Zeit alle wesentlichen Informationen von Corysta übernehmen.
Die Frau zögerte nur einen Moment, dann neigte sie den Kopf und beugte sich vor, damit Murbella sie berühren konnte, Stirn an Stirn, Geist an Geist. In einer Sturzflut nahm die Mutter Befehlshaberin alles in sich auf, was sie über Buzzell wissen musste, und erheblich mehr, als sie je über Corysta erfahren wollte.
Sämtliche Erlebnisse der Frau – ihr tägliches Leben, ihr Wissen, ihre schmerzhaften Erinnerungen und ihre tiefe Loyalität zur Schwesternschaft – wurden ein Teil von Murbella, als hätte sie alles selbst erlebt.
In der inneren Perspektive sah sie durch Corystas Augen, wie sie neben anderen Sklaven an einem Tisch den Fang sortierte und ausnahm, in der Nähe eines Kais am Rand des zerklüfteten Riffs. Der Wind wehte ihr die strengen Gerüche des Meeres in die Nase. Der Morgenhimmel war wie üblich bedeckt und trübe. Weiße Möwen hüpften den Kai aus künstlichem Holz entlang und suchten nach dem Abfall von Meeresfrüchten, die während der Verarbeitung zu Boden fielen.
Ein schuppiger, furchteinflößender Phibianer, der die Aufsicht hatte und nach verfaultem Fisch stank, ging vor dem Tisch auf und ab. Er beobachtete die Arbeit und nahm regelmäßig Überprüfungen vor, um sich zu überzeugen, dass keine der versklavten Bene Gesserit etwas gestohlen hatte. Corysta fragte sich, wohin sie sich hätte flüchten sollen, falls es ihr tatsächlich gelingen würde, ein Stückchen Soostein an sich zu nehmen.
Ihr Exil auf Buzzell währte nun schon fast zwei Jahrzehnte. Zuerst war sie als junge Frau von der Schwesternschaft verstoßen worden, um dann den Huren aus der Diaspora als Sklavin dienen zu müssen. Corysta war mit der Verbannung nach Buzzell bestraft worden, weil sie, wie es bei den Bene Gesserit hieß, ein »Verbrechen aus Menschlichkeit« begangen hatte. Man hatte ihr befohlen, sich mit einem verzogenen, launischen Adligen fortzupflanzen, der jedes Mal, wenn sie ihn sah, in einem anderen Aufzug herumstolzierte. Nach den Anweisungen ihrer Zuchtmeisterinnen hatte Corysta den Stutzer verführt – von dem sie sich nicht vorstellen konnte, ihn jemals zu lieben – und hatte ihre Körperchemie so verändert, dass das gezeugte Kind eine Tochter sein würde.
Vom Augenblick der Empfängnis an hatte die Tochter dem Orden der Bene Gesserit gehört. Corystas Verstand hatte es genau gewusst, aber nicht ihr Herz. Während das Kind im Mutterleib heranwuchs, kamen Corysta Bedenken, vor allem, als das Baby sich zu bewegen und zu strampeln begann. Allein auf sich gestellt lernte sie ihre Tochter kennen, bevor sie zur Welt gekommen war, und stellte sich vor, wie sie das Kind als ihr eigenes aufzog, wie eine traditionelle Mutter, etwas, das den Angehörigen der Schwesternschaft verboten war. Trotz der Strenge der verschiedenen Zuchtprogramme musste es einen Freiraum für Ausnahmen geben, für ein gewisses Maß an Liebe. Täglich sprach Corysta beruhigend mit dem Baby in ihrer Gebärmutter und gab ihm ihren besonderen Segen. Immer häufiger dachte sie darüber nach, wie sie ihren erdrückenden Pflichten entrinnen konnte.
Als sie ihrem ungeborenen Kind eines Nachts ein trauriges Lied vorsang, traf Corysta die schicksalhafte Entscheidung, ihr Baby zu behalten. Sie wollte das kleine Mädchen nicht wie befohlen an die Zuchtmeisterinnen übergeben. Corysta floh in die Einsamkeit und brachte das Kind allein in einer Hütte ohne Licht zur Welt, wie ein Tier. Eine strenge Zuchtmeisterin namens Monaya machte ihren Aufenthaltsort ausfindig und stürmte mit einem Trupp schwarz gewandeter Kämpferinnen ihren Unterschlupf. Nachdem es nur wenige Stunden Mutterliebe erfahren hatte, wurde das
Weitere Kostenlose Bücher