Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
mit gestohlenen Ornithoptern, die nach der Landung sofort getarnt oder in die Höhlen geschafft wurden. Liet-Kynes trug einen neuen Djubba-Umhang, als er sie einzeln begrüßte und durch das Türsiegel in den eigentlichen Sietch einließ.
Neben ihm stand seine schwarzhaarige Frau mit ihrer neugeborenen Tochter und dem kleinen Liet-chih. In Faroulas seidige Locken waren klimpernde Wasserringe eingeflochten, die Liets Reichtum und Status innerhalb des Stammes repräsentierten. Sie hielt sich in seiner Nähe, solange es ihr gestattet war.
Draußen ging die Sonne in einem roten Farbenspiel unter, und der Abend legte sich über die Dünen. Die Frauen servierten den Männern eine große Gemeinschaftsmahlzeit im Versammlungsraum des Sietches, wie es zu Beginn eines derartigen Treffens Tradition war. Liet saß neben dem Naib Heinar an einem niedrigen Tisch. In der Gesellschaft der Sietch-Führer brachte Liet einen Trinkspruch zu Ehren des barschen alten Mannes aus. Heinar jedoch schüttelte nur den grauhaarigen Kopf und lehnte es ab, eine eigene Ansprache zu halten. »Nein, Liet. Dies ist deine Zeit. Meine ist schon vorbei.« Mit einer Hand, an der zwei Finger fehlten, die er vor vielen Jahren bei einem Messerduell verloren hatte, packte er fest den Unterarm seines Schwiegersohns.
Als die wilden Männer nach dem Abendessen ihre Plätze in der hohen Versammlungshöhle einnahmen, dachte Liet über viele Dinge nach. Er hatte sich gut auf seine Ansprache vorbereitet – aber wären die Fremen bereit, zusammenzuarbeiten und sich gegen die Harkonnens zur Wehr zu setzen? Auf Dune eine Wüstenstreitmacht zu mobilisieren? Oder würden sie sich tiefer in die Einöde flüchten? Würde jeder Stamm allein ums Überleben kämpfen? Noch viel schlimmer wäre es, wenn die Fremen lieber ihre internen Zwistigkeiten austrugen, als gegen den wahren Feind vorzugehen, wie sie es schon allzu häufig in der Vergangenheit getan hatten.
Liet hatte einen Plan. Schließlich trat er auf einen hohen Balkon und blickte auf den Saal hinunter. Ramallo, die alte Sayyadina, stand in einem verstaubten schwarzen Umhang an seiner Seite. Ihre dunklen Augen blickten aus tiefen Höhlen.
Unten standen Hunderte von Menschen, abgehärtete Kämpfer und Anführer, die durch die Ränge ihrer Stämme aufgestiegen waren. Alle teilten die Vision eines grünen Arrakis, alle ehrten das Andenken an Umma Kynes. Weitere Zuschauer standen auf Bänken und Balkonen, die sich zickzackförmig an den steilen Wänden entlangzogen. Der säuerliche Geruch ungewaschener Wüstenmenschen erfüllte die Luft und mischte sich mit dem allgegenwärtigen Gewürzaroma.
Die Sayyadina Ramallo hob die altersfleckigen Hände vors Gesicht, um einen Segen zu sprechen. Die Menge verstummte, alle senkten die Köpfe. Auf einem Balkon in der Nähe sang ein Fremen-Junge in weißem Gewand mit Sopranstimme ein traditionelles Klagelied. Die Worte der uralten Chakobsa-Sprache beschrieben die beschwerliche Reise ihrer Zensunni-Vorfahren, die vor langer Zeit nach der Flucht von Poritrin auf diesen Planeten gekommen waren.
Als der Junge das Lied beendete, glitt Ramallo in den Schatten zurück und ließ Liet allein auf dem Balkon zurück. Aller Augen blickten in seine Richtung. Jetzt war seine Zeit gekommen.
Die perfekte Akustik des Saals trug Liets Stimme bis in den letzten Winkel. »Meine Brüder, wir leben in einer Zeit großer Herausforderungen. Auf dem fernen Kaitain habe ich den Corrino-Imperator über die Grausamkeiten informiert, die hier von den Harkonnens begangen werden. Ich erzählte ihm von der Zerstörung der Wüste, von den Harkonnen-Soldaten, die Shai-Hulud zum Zeitvertreib jagen.«
Ein Raunen ging durch die Höhle, obwohl er sie nur an etwas erinnert hatte, das sie längst wussten.
»In meiner Funktion als Imperialer Planetologe habe ich Botaniker, Chemiker und Ökologen angefordert. Ich habe um lebenswichtige Ausrüstung gebettelt. Ich habe gebeten, dass ein großer Plan umgesetzt wird, damit unsere Welt gerettet werden kann. Ich habe verlangt, dass die Harkonnens gezwungen werden, ihre Verbrechen und sinnlosen Zerstörungen aufzugeben.« Er machte eine kurze Pause, damit sich die Spannung steigerte. »Aber ich wurde kurz und bündig abgefertigt und entlassen. Imperator Shaddam IV. wollte mir nicht zuhören!«
Als die Menge lautstark ihr Missfallen kundtat, spürte Liet den Felsboden erzittern. Die Fremen lehnten jede Form von Abhängigkeit ab und betrachteten sich nicht einmal als
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