Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
hat die Liebe seines Volkes.« Jessica musterte Wensicias Gesicht und erkannte darin großen Ehrgeiz. »Deshalb sind die Reichtümer des Hauses Atreides in der Tat groß.«
Der Imperator schenkte weder seinen Töchtern noch seiner Gattin Beachtung. Er schien sich auch zu bemühen, Jessica zu ignorieren – außer wenn sie Leto erwähnte. Und selbst dann erweckte er den Eindruck, nicht im Geringsten an ihrer Meinung interessiert zu sein.
Anschließend drängte Anirul die Gesellschaft, sich in ein kleines Auditorium in einem anderen Flügel des Palasts zu begeben. »Das sollte sich niemand entgehen lassen. Irulan hat wochenlang geprobt. Wir müssen uns bemühen, ein aufmerksames Publikum zu sein.« Shaddam trottete hinterher, als wären ihm solche Amtsverpflichtungen zuwider.
Der Theatersaal war mit handgeschnitzten Taniran-Säulen und kunstvollen Schriftzeichen geschmückt. Die hohe Decke bestand aus vergoldeten Filigranschnitzereien, und die Wände waren mit blauem Himmel und weißen Wolken in Glanzfarben bemalt. Auf der Bühne stand ein gewaltiges Hagal-Klavier aus Rubinquarz, dessen Saiten aus Kristallfilament frisch aufgezogen und gestimmt waren.
Uniformierte Diener führten die Gesellschaft zu einer privaten Sitzreihe, von der aus man den besten Blick auf die Bühne hatte. Die hinteren Plätze waren mit einem kleinen Publikum schick gekleideter Würdenträger besetzt, die nervös vor Ehrfurcht waren, an einer solch auserlesenen Vorstellung teilnehmen zu dürfen.
Dann trat die älteste Tochter des Imperators, die dreizehnjährige Prinzessin Irulan, in kerzengerader Haltung auf die Bühne. In ihrem himmelblauen Kleid aus Merh-Seide sah sie einfach reizend aus. Sie war groß und anmutig, hatte langes blondes Haar und ein Gesicht mit klassisch-schönen Zügen. Sie blickte zu ihren Eltern in der imperialen Loge auf und begrüßte sie mit einem Nicken.
Jessica musterte die Tochter von Shaddam und Anirul genau. Die Bewegungen des Mädchens waren präzise, als hätte sie genügend Zeit, jede Handlung sorgfältig zu planen. Da Jessica gründlich von Mohiam unterrichtet worden war, erkannte sie an Irulan sofort die typischen Anzeichen einer Bene-Gesserit-Ausbildung. Anirul musste sie nach den Grundsätzen der Schwesternschaft erzogen haben. Es hieß, dass diese junge Frau einen überragenden Verstand und schriftstellerisches Talent besaß. Angeblich beherrschte sie die kompliziertesten Sonnettformen. Ihre musikalische Begabung hatte ihr bereits mit vier Jahren den Ruf eines Wunderkindes verschafft.
»Ich bin sehr stolz auf sie«, flüsterte Anirul Jessica zu, die auf einem kunstvoll bestickten Sessel Platz genommen hatte. »Aus Irulan wird einmal eine große Frau werden, nicht nur als Prinzessin, sondern auch als Bene Gesserit.«
Die Prinzessin lächelte ihrem Vater zu, als würde sie darauf hoffen, seiner steinernen Miene eine Reaktion entlocken zu können, dann begrüßte sie stumm das Publikum. Sie setzte sich auf die Bank aus Rubinquarz, und ihr glitzerndes Seidenkleid schien über die Bühne zu fließen. Einen Moment lang saß sie völlig still da, um zu meditieren und sich auf ihre musikalische Gabe zu konzentrieren, dann tanzten ihre langen Finger über die mit Soosteinen besetzten Tasten. Die melodischen Saitenklänge wurden von der perfekten Akustik durchs Auditorium getragen, als sie ein Potpourri großer Komponisten zum Besten gab.
Die Musik versetzte Jessica in eine traurige Stimmung. Vielleicht wurden ihre Gefühle auf einer unbewussten Ebene durch die Klänge manipuliert. Sie dachte an die Ironie der Situation, dass sie sich auf Kaitain aufhielt, obwohl sie niemals danach gestrebt hatte, während Letos erste Konkubine Kailea nur für diesen Traum gelebt hatte, der ihr jedoch auf immer verwehrt geblieben war.
Jessica vermisste ihren Herzog bereits jetzt so sehr, dass sie einen stechenden Schmerz in der Brust verspürte.
Sie sah, wie der Kopf des Imperators zur Seite kippte, als er einnickte. Und sie bemerkte den tadelnden Seitenblick von Anirul.
Auch auf Kaitain ist nicht alles Gold, was glänzt, dachte Jessica.
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Die Schwesternschaft hat keinen Bedarf an Archäologen. Als Ehrwürdige Mütter verkörpern wir die Geschichte.
Lehre der Bene Gesserit
Die Gluthitze eines Schmelzofens tauchte das Pergamentgesicht der Mutter Oberin Harishka in rotes Licht. Die flüssigen Metalllegierungen, Verunreinigungen und elektrischen Komponenten im großen Tiegel verbreiteten einen bitteren
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