Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel ist die Zukunft

Dunkel ist die Zukunft

Titel: Dunkel ist die Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
lautlos wie eine Katze bewegen zu können. Sekundenlang hielt er ihrem Blick stand, dann lächelte er, ließ sich in die Hocke sinken und streckte die Hand nach ihr aus, zog sie dann aber wieder zurück, ohne sie berührt zu haben. »Tut es sehr weh?« »Nein«, antwortete Charity. Skudder verwirrte sie; und nicht nur er, sondern beinahe noch mehr ihre eigene Reaktion auf seinen Anblick. Sie hätte zornig sein müssen, statt dessen betrachtete sie den Führer der Sharks mit einer Neugier, die sie selbst überraschte. Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf die Axt, die wieder an Skudders Gürtel hing. Sie sah jetzt zum ersten Mal, daß es sich um einen echten indianischen Tomahawk handelte. In der Welt, in der sie geboren und aufgewachsen war, wäre diese Waffe sicherlich ein Vermögen wert gewesen. »Du kannst gut mit diesem Ding umgehen«, sagte sie. Und fast gegen ihren Willen hörte sie sich hinzufügen: »Sieht so aus, als hätte ich noch einmal Glück gehabt. Wenn du ein bißchen besser gezielt hättest, wäre ich jetzt wohl tot.« »Ja.« Ihre Antwort schien Skudder zu amüsieren. »Aber vielleicht auch, wenn ich schlechter gezielt hätte.« Bei jedem anderen hätte sie diese Worte für glatte Angabe gehalten; ihm glaubte sie. »Woher hast du gewußt, in welche Richtung ich springen werde?« Skudder machte eine unbestimmte Geste. »Erfahrung. Du warst in Panik. Menschen, die in Panik reagieren, fliehen fast alle in dieselbe Richtung: nach rechts, nach vorne und nach unten.« Charity nickte anerkennend. Sie begriff allmählich, wieso  ausgerechnet dieser Mann der Anführer der Sharks geworden war. Und sie nahm sich vor, ihn nicht noch einmal zu unterschätzen. »Was willst du?« fragte sie. Skudder antwortete nicht gleich, sondern sah sie wieder auf diese sonderbare Art an. Er lächelte, aber auf eine Art und Weise, die sie frösteln ließ. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Vermutlich einfach nur mit dir reden. Ich ... möchte gerne wissen, wer diese Frau ist, derentwegen Daniel eine ganze Armee losschickt.« »Ich weiß nicht einmal, wer dieser Daniel ist«, murmelte Charity. »Geschweige denn, was er von mir will.« »Hast du Hunger?« fragte Skudder unvermittelt. Charity nickte, obwohl sie eigentlich hatte ablehnen wollen. Drei, vier Atemzüge lang starrte er sie durchdringend, aber nicht unfreundlich, an, dann stand er mit einer fließenden Bewegung wieder auf. »Versprichst du mir, keinen Unsinn zu machen, wenn ich dich losbinde?« Charity nickte abermals, und Skudder zog ohne ein weiteres Wort sein Messer und schnitt ihre Fesseln durch. Charity versuchte aufzustehen, aber sie schaffte es nicht aus eigener Kraft. Die Fesseln hatten ihr das Blut abgeschnürt, und ihr linker Arm und ihr linkes Bein waren wie taub. »Und sie?« Charity deutete auf Net, die der kurzen Unterhaltung aufmerksam und mit steinernem Gesicht gefolgt war. Skudder schüttelte entschieden den Kopf. »Ihr geschieht nichts, keine Sorge«, sagte er. »Aber sie ist nicht klug genug, als daß ich ihr trauen könnte. Ich lasse ihr etwas zu essen bringen. Kink!« Das letzte Wort galt dem Wächter, der die ganze Zeit über reglos dagesessen und ihnen den Rücken zugekehrt hatte. Aber er schlief keineswegs, wie Charity angenommen hatte, denn er drehte rasch den Kopf und sah Skudder fragend an. Charity erhaschte einen raschen Blick auf ein breites, narbenzerfurchtes Gesicht mit harten Augen und einem brutalen Mund. »Kümmere dich um Net«, befahl Skudder. »Und behandele sie gut.« Kink sprang auf und beeilte sich, dem Befehl nachzukommen, während Skudder Charity behutsam am Arm ergriff und zum Feuer führte. Sie wehrte sich nicht dagegen. Das Leben kehrte allmählich in ihre abgestorbenen Glieder zurück. Ohne Skudders Hilfe aber hätte sie keine zehn Schritte geschafft.
    Sie gingen nicht zum großen Lagerfeuer, sondern zu einer zweiten, etwas abseits gelegenen Lagerstelle, an der ein kleineres Feuer brannte. Der verlockende Duft von gebratenem Fleisch stieg ihr in die Nase. Als sie näher kam, sah sie, daß Skudder und sie auch hier nicht allein waren - aber immerhin war es nur eine einzelne Gestalt, die auf sie wartete, und keine grölende Bande von mehr als zwanzig Sharks. Sie war erleichtert, nahm sich aber vor, weiter auf der Hut zu bleiben. Skudders Freundlichkeit und die Sympathie, die sie ihm entgegenbrachte, täuschten sie keine Sekunde darüber hinweg, was er wirklich war: der Anführer einer

Weitere Kostenlose Bücher