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Dunkel ist die Zukunft

Dunkel ist die Zukunft

Titel: Dunkel ist die Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kaum noch die Kraft, aus dem Wagen zu steigen, geschweige denn, ihn anzugreifen. Doch Raoul schien einen gehörigen Respekt vor ihr zu haben. »Wo bringst du mich hin?« fragte sie. Sie hatte gar nicht mit einer Antwort gerechnet, aber sie bekam sie. »Zu Skudder. Er wartet schon.« Raoul deutete mit einer Kopfbewegung auf das Haus, vor dem sie angehalten hatten, einem dreistöckigen Gebäude, das einmal ein Schul- oder Verwaltungsbau gewesen sein mußte. Sogar die Türen und Fenster waren noch intakt. Skudders Palast, dachte sie spöttisch, aber auch ein bißchen ängstlich. Sie fragte sich, was sie erwarten würde. Zwei weitere Sharks gesellten sich zu ihnen, während sie das Haus betraten, ein dritter nahm Raouls Platz hinter dem Steuer ein und fuhr den LKW davon. Charity fragte sich bedrückt, ob sie diese Männer und Frauen jemals wiedersehen würde. Obwohl sie wußte, daß es nicht stimmte, gab sie sich noch immer die Schuld an dem, was geschehen war. »Dort entlang.« Raoul deutete mit einer Kopfbewegung auf eine Tür ganz am Ende des Korridors und machte eine auffordernde Geste. Charity ging ein wenig schneller, wartete, bis er die Tür geöffnet hatte, und trat gebückt unter dem niedrigen Eingang hindurch. Sie wußte nicht, was sie erwartet hatte - eine Art barbarischer Thronsaal vielleicht oder eine Kammer voller Gerumpel und Beutestücke, grellbunte Poster und Waffen an den Wänden oder auch ein paar nackte Groupies mit tätowierten Brüsten ... irgend etwas, das zum äußeren Erscheinungsbild der Sharks gepaßt hätte; aber das Zimmer, in das sie Raoul führte, war überraschend nüchtern und hell - ein einzelner, vollkommen leerer Tisch, eine Anzahl billiger Kunststoffstühle in unterschiedlichen Farben, an der Wand ein Bücherschrank und ein schmales Bett, fast eine Pritsche. Skudders Thronsaal glich eher einer etwas zu groß geratenen Klosterzelle. Skudder wartete auf sie, aber er war nicht allein. Auf dreien der bunten Plastikstühle saßen Niles, Abn El Gurk und Net. Niles und Gurk starrten an Skudder vorbei ins Leere, während das Mädchen sie fast haßerfüllt anblickte. Charity schluckte die Bemerkung herunter, die ihr auf der Zunge lag. Ganz egal, was sie zu Net gesagt hätte, es hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Skudder deutete wortlos auf einen der Stühle, wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und sah sie dann fragend an. »Möchtest du etwas trinken?« Charity antwortete nicht, obwohl sie vor Durst fast umkam, und nach einer Sekunde zuckte Skudder die Achseln und setzte sich ebenfalls. Er machte einen sehr unentschlossenen, fast bedrückten Eindruck. So, als wüßte er jetzt, wo er sie alle endlich in seiner Gewalt hatte, nicht so recht, was er überhaupt mit ihnen anfangen sollte. Er wandte sich an Net. »Hast du jemanden, zu dem du gehen kannst?« fragte er. Net sah auf. Sie wirkte ein bißchen verwirrt, aber auch mißtrauisch. Nach ein paar Sekunden schüttelte sie den Kopf. »Nein«, sagte sie hart. »Ihr habt alle umgebracht.« »Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, daß es mir leid tut?« fragte Skudder. Net schwieg, aber Skudder hatte auch nicht mit einer Antwort gerechnet. »Du bleibst hier, bis wir wissen, wie alles wird«, sagte er. »Danach kannst du gehen. Du kannst aber auch bei uns bleiben.« »Wie großzügig«, sagte Net böse. »Das habe ich mir schon immer gewünscht.« Skudder runzelte die Stirn. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er auffahren, aber dann schüttelte er nur den Kopf und gab den beiden Sharks, die mit Charity und Raoul hereingekommen waren, einen Wink. »Verschwindet.« Die Männer gehorchten. Skudder wartete, bis sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, dann wandte er sich an Raoul. »Versuche, Daniel zu erreichen«, sagte er. »Ruf mich, wenn er sich meldet. Ich möchte selbst mit ihm sprechen.« Raoul nickte, ging an Charity vorbei und verließ das Zimmer durch eine zweite Tür, die sie bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Sie erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen schmalen Treppenschacht mit unverkleideten Betonwänden. Unmerklich atmete sie auf, als Raoul das Zimmer verlassen hatte. Das sonderbare Gefühl, das sie in seiner Nähe verspürte, war die ganze Zeit über nicht gewichen. »Daniel?« sagte sie. »Er ist nicht hier?« Skudder schien überrascht zu sein. Dann lachte er, als hätte sie etwas sehr Dummes gesagt. »Nein«, sagte er. »Aber du wirst ihn kennenlernen. Er brennt schon darauf,

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