Dunkel
Es war Unfug zu behaupten, er würde ihnen nachspionieren. Vielleicht hatte er ihnen einmal zugeschaut, als sie bis zu den Hüften nackt am Motorrad des Älteren gearbeitet hatten. Was war dabei? Er war schon immer an Maschinen interessiert gewesen, seit seinen Armee-Tagen. Der Jüngere war zuerst gar nicht so schlimm - zumindest konnte man sich mit ihm unterhalten - aber der andere Flegel, dieser höhnische Typ, hatte seinen Bruder offensichtlich beeinflußt. Wie konnten sie es wagen ... nur weil ein Mann ... wie hatten sie das überhaupt herausgefunden?
Pinky drehte sich im Bett um und zog sich die Decke über die Ohren. Die Straße war jetzt voller Widerlichkeiten. Das war nie so gewesen. Häßliche, moderne Kästen, die Stadthäuser genannt wurden, an einem Ende, die alten, größeren Häuser verfielen langsam; und Flegel mit schmierigen Haaren wie diese beiden fuhren die ganze Nacht mit ihren Motorrädern die Straße herauf und hinunter. Nun, es waren ja nur zwei und sie hatten nur eine Maschine, aber sie machten Lärm für ein Dutzend und mehr. Und dann dieses Haus da weiter unten, dieses große, freistehende... Wer auf Erden konnte sich so etwas ausgedacht haben? Völlig unglaublich. Absolut wahnsinnig. Zeitzeichen.
Jeden Tag neue — schlimmere Scheußlichkeiten. Man mußte sich fragen, ob es überhaupt noch etwas Gutes auf der Welt gab. Aber nichts war so unmenschlich gewesen, wie das, was er...
Es fiel Pinky noch immer schwer, dafür die richtigen Worte zu finden. Warum hatte man ihn dorthin geschickt? Hatte er im letzten Krieg für sein Land nicht genug getan? War es nötig gewesen, ihn für ein einziges Vergehen so hart zu bestrafen? Dem Kind war ja eigentlich nichts passiert. Gut, es hatte andere kleine Vergehen gegeben, die zu Buche schlugen. Aber sie waren geringfügig, kleine Fehltritte. Es war ja nicht so, als ob er tatsächlich jemandem etwas angetan hätte. Diese Erniedrigung an diesem ... Ort. Diese verkommenen Menschen. Die bösartigen, gemeinen Schläger. Einen Mann wie ihn mit solchen Tieren zusammenzustecken. Und als er nach Monaten, die ihm wie tausend Jahre erschienen waren, freigelassen worden war, hatte er seine Stellung im Club verloren. Keines der Mitglieder hatte sich aufgerafft, ihn als Barmanager zu unterstützen. Nein, sie hatten ihm die kalte Schulter gezeigt, sie und ihr verdammter Tweed und das Golfen am Nachmittag, ihre verdammten Cocker Spaniels und die mürrischen Frauen. Leute, mit denen er jahrelang bekannt gewesen war, hatten gemeine, widerliche Dinge über ihn gesagt. Gott sei Dank, daß Mutter das Haus verlassen hatte — Gott sei Dank war sie schon lange tot, als das alles herauskam. Der Schock hätte sie umgebracht. Er hätte sich die Wohnung bei diesem erbärmlichen Lohn, den er als Teilzeit-Barmann verdiente, nie leisten können. Und es erniedrigend, auf einer »Verdächtigenliste« von Sexualverbrechern zu stehen. Wenn irgendein Sexualverbrechen in dem Viertel begangen wurde, konnte er sicher sein, daß er Polizeibesuch bekam. Routinebefragung, sagten sie immer. Nun, für ihn war es keine Routine, verdammt!
Er drehte sich ruhelos auf den Rücken und starrte haßerfüllt auf die Lichtmuster an der Decke. Die nebelhaften Schatten zitterten, als eine Brise die Blätter des Baumes draußen bewegte und das reflektierte Licht der Straßenlaterne wie etwas Lebendiges wirken ließ. Pinky verfluchte die Decke.
Der Spott, diese gemeinen Kränkungen der beiden Flegel von der anderen Straßenseite hatten ihn stark getroffen. Seine übrigen Nachbarn hatten ihn stets mit Respekt behandelt, hatten immer höflich seinen Gruß erwidert, hatten sich nie um seine Angelegenheiten gekümmert. Aber diese... diese Halunken hatten ihre Obszönitäten gebrüllt, so daß die ganze Welt es hören konnte, und sie hatten ihn ausgelacht, als er ins Haus zurückgelaufen war. Er wußte nicht, was er sonst hätte tun können. Nun, morgen würde die Polizei über den Lärm informiert werden, den sie mit ihrer höllischen Maschine machten. Er war noch immer ein Bürger und hatte als solcher Rechte. Nur weil er einmal einen Fehler gemacht hatte, bedeutete das noch lange nicht, daß er seine Bürgerrechte verloren hatte! Er biß sich auf die Lippe und unterdrückte ein Schluchzen. Er wußte, daß er nie wieder eine Polizeiwache betreten würde, nicht freiwillig. Diese Bastarde, diese dreckigen, kleinen, langhaarigen Bastarde!
Pinky schloß fest seine Augen, und als er sie öffnete, wunderte er
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