Dunkelerde: Gesamtausgabe
Einwand gleich wieder, denn du bist schließlich der Auserwählte. Wie könntest du also da überhaupt etwas falsch zu verstehen? Und dir zur Seite steht dein weibliches Äquivalent oder der weibliche Gegenpol. Sie ist die Auserwählte. Du bist dazu bestimmt, das Buch zu lesen und zu verstehen - und sie ist dazu bestimmt, den Kontakt zur Erde zu halten - zu dem eben, was man allgemein die Wirklichkeit nennt. Als wäre das andere etwas anderes als eine Wirklichkeit!
Es mag dir jetzt, in diesem Stadium deiner Studien, noch seltsam erscheinen - seltsam und vor allem unverständlich -, aber alles ergibt einen Sinn. Dieses Buch ist der Führer zu einer besonderen Art des Dunkels. Es ist der Führer zur Dunkelerde! Nur zu diesem Zweck habe ich es geschaffen, dass du es eines Tages liest, wenn die Stunde dafür reif ist, als Auserwählter. Dieses Buch wird von Generation zu Generation weiter gereicht, denn ich habe zwei Vorahnungen: Eine sagt mir, alles geht gut - und die andere sagt mir, dass wir Alchimisten dabei sind, mit unserer Macht die schrecklichste Katastrophe zu verursachen, die man sich überhaupt vorstellen kann. Dieses Buch wurde von mir dazu geschaffen, einen Auserwählten nach der möglichen Katastrophe zu befähigen, noch Schlimmeres zu verhindern, vielleicht sogar den endgültigen Untergang aller menschlichen Zivilisation. Ja, in der Tat, ich weiß es nicht, sondern ahne es nur, denn auch der perfekteste Seher sieht nur die Möglichkeiten - aber du wirst es erfahren, Auserwählter und wirst die blanke Wahrheit erkennen. Du wirst der Wissende sein, während ich, der dir diese Möglichkeiten eröffne, um damit mein schlechtes Gewissen zu beruhigen ob unseres Vorhabens und seiner Risiken... Ich bin nur der Ahnende. Merke es dir: Du wirst der Wissende sein und ich werde der Ahnende bleiben - längst für immer ausgelöscht, wenn du diese Zeilen liest.
Eines aber musst du noch bedenken, Auserwählter: Du musst dir stets vor Augen halten, dass nicht die beschwörenden Worte es sind, die allein Magie bewirken, sondern der Geist, der durch die beschwörenden Worte erneut erwacht.
Ich ahne schon, dass du es nicht sogleich verstehen wirst, aber es ist sehr wichtig, Auserwählter, dass du dies verstehst: Indem du diese Worte liest, denkst du die gleichen Gedanken, die ich gedacht habe, als ich sie niederschrieb! Dein Geist schwingt mit meinem Geist in Einklang. Ich, der schon lange nicht mehr existiere, erwache in dir zu neuem Leben. Es sind meine Worte, also meine Gedanken, die zu deinen Worten, also zu deinen Gedanken werden. Somit bist du hier und jetzt... Barosch Alchimisch Dunkel! Ja, es ist nicht nur der Titel des Buches, sondern... ich war es selbst, denn ich habe als Barosch, vereint mit der Macht aller Alchimisten, dies alles bewirkt, was dir begegnen wird. Ich fürchte, Auserwählter, wenn du diese Worte in dich aufnimmst und meine Gedanken denkst, hat die Katastrophe längst stattgefunden und das wahre Grauen siegte, nicht unsere guten Vorsätze. Wie viel Zeit ist inzwischen vergangen? Jahrhunderte? Jahrtausende?”
Pet schrie auf und ließ das Buch fallen. Er zitterte am ganzen Körper und brüllte: „Jahrtausende, Barosch! Jahrtausende!”
Jule packte verzweifelt seine Schultern und rüttelte daran.
„Pet, bitte, komm zu dir! Du bist ja völlig von Sinnen.”
„Jahrtausende!”, schrie Pet und schien sie gar nicht mehr wahrzunehmen. Sein Blick war entrückt. Seine Augen blickten in eine weite, unbekannte Ferne, in... eine andere Welt?
„Dunkelerde!”
„Aber nein, Pet, es ist doch höchstens Jahrhunderte her. Die Alchimisten, hörst du? Im finstersten Mittelalter hast du gesagt.”
Sein Blick wurde prompt klarer. Er blinzelte verwirrt.
„Im finstersten Mittelalter, wahrlich, das war es... damals, zehn Jahre nach Valurema. Die Katastrophe. Es sind nur Jahrhunderte vergangen, hier, auf Hellerde. Aber viele Jahrtausende drüben, auf Dunkelerde.”
„Hellerde? Dunkelerde?”
Pet war außer sich. „Du wirst es verstehen, Jule, du wirst es verstehen müssen. Du bist der weibliche Pol. Du bist die Auserwählte. Aber wieso? Ja, wieso du und ich? Was haben wir denn getan?”
„Du bist mein Sohn!”, sagte da eine Stimme.
Sie fuhren beide herum. Pet erkannte seinen Vater. Er stand auf der Treppenleiter. Man konnte nur seinen Kopf sehen und er wirkte sehr ernst.
„Es ist anders als sonst, Pet. Das tut mir aufrichtig leid, aber ich fürchte...”
„Was fürchtest du, Pap?” Sein Vater war
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