Dunkelerde: Gesamtausgabe
an die Abkürzung Pap gewöhnt.
Er antwortete: „Ich fürchte, niemand kann es dir abnehmen. Ich auch nicht. Ich hatte mein Leben lang gehofft, es möge nie eintreten, aber jetzt ist es soweit - nach Jahrhunderten.”
„Was ist soweit, Pap, was?”
„Die Störung wird erfolgen und der Jüngste ist auserwählt, als eine Art Wächter, oder gar Krieger oder sogar Richter. Niemand kann ihm diese Aufgabe abnehmen, auch und vor allem nicht sein Vater.”
„Und Jule?”
„Ihr liebt euch und es ist eine vollkommen reine Liebe. Sie wäre nicht dein weiblicher Gegenpol, wenn ihr bereits... Sex miteinander gehabt hättet. Doch dies ist nicht der einzige Grund.”
„Was denn sonst noch?”
„Ich habe deine Mutter kennen gelernt, weil sie die Auserwählte gewesen wäre. Wir haben jahrelang in Keuschheit gelebt, bis mir klar wurde, dass ich niemals der Auserwählte zu sein brauchte. Dann kamst du zur Welt und ich habe inbrünstig gehofft, du würdest genauso davon verschont bleiben.”
„Heißt das... Jule und ich haben uns gefunden, weil es unser beider Schicksal ist?”
„Ja, Pet: Sie ist eine direkte Nachfahrin eines jener Alchimisten, die damals verschwanden - genauso wie du und ich.”
„Und meine Eltern?”, rief Jule. „Mann, ist das denn hier ein Irrenhaus oder was?”
Niemand sagte etwas. Beide schauten sie nur an. Sie begriff auch ohne Worte, dass dies hier keineswegs ein Irrenhaus war, wie sie es nannte, sondern bittere Wirklichkeit.
„Auch deine Eltern!”, antwortete Pets Vater endlich. „Genauso wie die Eltern von Pets Mutter, wie meine Eltern... Heutzutage ist das ja nichts Besonderes mehr: Die Menschen kommen aus aller Welt zusammen. Heißt du nicht den italienischen Nachnamen Nero? Siehst du, wir heißen Magnus. Es war Harald Magnus, der dieses Geheimbuch schuf. Er war der Barosch Alchimisch Dunkel. Drum heiße auch ich Harald Magnus. Und deine Mutter ist sicher Gabriella Nero. Aber auch du heißt so: Gabriella! Obwohl dich alle Welt Jule ruft...”
„Sie... Sie wissen das alles - schon länger?”
„Natürlich weiß ich es schon länger. Schließlich bin ich Harald Magnus - und mein Sohn teilt mein Schicksal. Mehr noch: Er wird das Schicksal der ganzen Ahnenreihe sogar erfüllen.”
„Aber wieso?”, protestierte Pet wie irre. „Ich will das alles nicht. Ich bin ein ganz normaler Vierzehnjähriger. In ein paar Tagen sind Ferien. Ich habe eine Freundin, die ich liebe. Ich habe dufte Kumpels. Ich...” Er brach ab.
„Ich weiß es nicht!”, gab sein Vater zu. „Niemand weiß es. Du musst alles selber herausfinden und Jule muss dich dabei begleiten. Unser Vorfahre hat es dir geschrieben. Jule ist der weibliche Gegenpol, damit du dich bei deiner Aufgabe nicht verlierst.”
„Welche Aufgabe überhaupt?”
„Du brauchst die Aufgabe nicht zu suchen, Sohn, denn die Aufgabe hat dich bereits gefunden. Alle Fragen werden beantwortet, aber nicht durch mich. Ich werde mich jetzt zurückziehen. Verzeih, Sohn, viel lieber wäre ich an deiner Stelle, glaube mir. Du bist doch noch so schrecklich jung - und dann eine solche Verantwortung?”
„Ich pfeife auf deine Verantwortung, hörst du, Pap? Ich pfeife auf diesen ganzen Scheiß. Ich will damit nichts zu tun haben. Ich... ich will meine Ruhe davon. Disko am Wochenende, büffeln bis zum Abitur, Ferien mit der Clique - das alles halt! Verdammt, ich bin doch nicht so ein beschissener Auserwählter. Ich bin einfach nur Pet, sonst nichts!”
Das Gesicht seines Vaters drückte unendliche Traurigkeit aus, als er nach unten stieg. Die beiden jungen Menschen hörten ihn, wie er sich flüsternd mit Pets Mutter unterhielt. Aber dann zogen sich beide zurück und es wurde still.
„Ich bin hier im falschen Film, tatsächlich!”, murmelte Jule. Vorhin noch hatte sie sich bemüht, Pet zu trösten, aber jetzt hätte sie es selber bitter nötig gehabt.
„Das sind wir beide”, murmelte Pet tonlos und nahm das Buch wieder in die Hand. „Wir könnten jetzt einfach alles wieder weg packen und vergessen.”
„Könnten wir das?”
„Nein, eigentlich nicht!”, gab er kleinlaut zu.
„Die Aufgabe hat dich gefunden...”
„Sie hat UNS gefunden!”, betonte er.
„Aha, dann willst du jetzt alles auf mich abwälzen oder was?”
„Wenn es gehen würde: Ja!”
„Also, du...” Sie hob drohend die Rechte, als wollte sie ihn schlagen, aber es war nur ein Spaß, der beiden für ganz kurze Zeit zumindest ein eher müdes Lächeln entlockte.
„Die
Weitere Kostenlose Bücher