Dunkelerde: Gesamtausgabe
wusste er. Sie wurden vom Vater auf den Sohn weitervererbt. Jeder Vater zeigte sie irgendwann seinem Sohn, damit dieser irgendwann dasselbe mit seinem Sohn tat. Blieb nur noch eine Frage offen: Wieso ausgerechnet zu dieser Zeit? Wieso nicht nächste Woche oder in einem Jahr?
Unruhe erfasste ihn und trieb ihn weiter. Er kam nicht dagegen an. Es war, als würden die Bücher ihn locken. Keine Macht der Welt würde es schaffen, ihn zurück zu halten. Und Vater musste das gewusst haben! Er hatte Pets Neugier sogar auch noch unterstützt.
Wieso?, durchzuckte es Pets Gedanken. Spürt er es denn auch? Spürt er, dass es wichtig ist, ausgerechnet jetzt?
„Es duldet keinen Aufschub”, murmelte er vor sich hin, wie automatisch. „Keine Minute, vor allem keine Stunde oder gar... einen Tag.”
Er dachte an Jule.
Sie würde ganz schön sauer sein.
Pet griff in die Tasche und zückte sein Handy. Achtlos legte er es ab - ausgeschaltet! -, bevor er weiter lief, um auf den Speicher zu steigen. Er tat dies so hastig, dass er beinahe von der Treppenleiter gestürzt wäre, die hinauf führte.
Und dann war er oben. Endlich! Er sah die offen stehende Kiste mit den Büchern. Sie waren in einem tadellosen Zustand, aber uralt. Eines war praktisch wie neuwertig.
Er griff danach. Es hatte ganz unten gelegen. Erst gestern war es ihm überhaupt aufgefallen. Aber er hatte nur einen kurzen Blick riskiert: Eigenartige Zeichen waren auf dem Einband zu sehen, die irgendwie keinerlei Sinn ergaben.
Jetzt konnte er es endlich wieder in die Hände nehmen. Dabei wurde ihm bewusst, dass er sich in den letzten Minuten nichts auf der Welt sehnlicher gewünscht hatte.
Er starrte auf den lederartigen Einband. Das Buch war dick, aber dennoch federleicht. Die Kanten hatten Goldeinfassungen, wohl, damit sie nicht abstießen. Aber das Gold hatte nicht einmal einen Kratzer. Es war blitzblank, als hätte man das Buch gerade erst hergestellt und ihm dabei nur das Aussehen eines uralten Schmökers verliehen.
Mit diesem Buch stimmt was nicht! Es ist... kein gewöhnliches Buch. Nicht wie die anderen... Ein flüchtiger Blick über die durcheinander liegenden sonstigen Bücher. Er hatte die meisten aufgeblättert und nur Teile davon gelesen. Ganz bestimmte Teile. Da hatte gestanden, dass die Alchimisten zu einer Zeit, die man heute das finstere Mittelalter nennt, einfach verschwunden waren und dass dies einen plausiblen Grund hatte. Später waren wieder Alchimisten aufgetaucht beziehungsweise Leute, die sich als solche ausgaben. Aber hatte keine echten Alchimisten mehr gegeben. Aus den falschen Alchimisten schließlich hatten sich die
Vor allem dieses Buch nicht!
Pet schaute zwischenzeitlich auf die seltsamen Zeichen und da war es ihm, als würden sie sich bewegen. Er blinzelte verwirrt. Nein, sie bewegten sich natürlich nicht wirklich. Nur eine Illusion. Etwas ganz anderes war passiert: Nicht die Zeichen hatten sich verändert... sondern er. Besser gesagt: seine Betrachtungsweise!
Er schüttelte total verwirrt den Kopf und starrte wieder darauf.
Es waren dieselben Zeichen, ganz ohne Zweifel. Sie hatten sich überhaupt nicht verändert. Aber... er wusste auf einmal, was sie bedeuteten:
Barosch Alchimisch Dunkel.
„Dunkel?”, murmelte er. Nein, das stand nicht wirklich da, aber es hatte genau diese Bedeutung, als ein einzelnes Zeichen. Und Alchimisch war ein Wort aus einer Geheimsprache, der Sprache der Alt-Alchimisten, wie man sie nennen durfte, nachdem die falschen Nachfolger der Alchimisten versucht hatten, in ihre Fußstapfen zu treten.
„Geheimsprache?”, fragte er sich laut und schloss eine Sekunde lang die Augen. Als er sie wieder aufriss, standen die seltsamen Zeichen vor ihm, deren Sinn er verstand, ohne es jemals gelernt zu haben.
„Barosch: Der Führer!” Er lauschte den eigenen Worten nach. Was da in der Geheimsprache der Alt-Alchimisten stand, hieß nichts anderes, als dass dieses Buch der alchimistische Führer zum Dunkel sei.
Zum Dunkel? Welches Dunkel? Die Finsternis des Satans oder so ähnlich?
Er schüttelte den Kopf, weil er gleichzeitig wusste, dass damit nicht jene Finsternis gemeint war.
Zögernd schlug er den Buchdeckel auf. Vergilbtes Pergament starrte ihn an. Es waren keinerlei Zeichen zu sehen - für normale Augen. Pet starrte darauf und las laut vor - in jener fremden Sprache, der Geheimsprache der Alt-Alchimisten. So perfekt, als hätte er sein Leben lang niemals etwas anderes getan.
Er erschrak.
Was geschieht
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