Dunkelerde: Gesamtausgabe
Zahnlücke.”
Kralle schloss verblüfft den Mund.
„Hör mal, Jule, ich finde das jetzt nicht fair”, wandte sich Pet an seine Freundin. „Ich habe dich vernachlässigt, zugegeben...”
„Vernachlässigt? Nein, mein Lieber, du hast dich sogar verleugnen lassen! Hältst du mich für doof?”
„Nein, natürlich nicht. Ehrlich. Ich weiß doch, was ich an dir habe.”
„Und was ist jetzt, bitte, unfair von mir?”
Pet atmete hörbar und machte eine ausholende Geste.
„Weil du das hier anspricht, in dieser Runde.”
„Wo und wann denn sonst? Ich habe dich doch gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und jetzt sind wir hier, bei unserem Treffen, wie vereinbart. Mit der Clique. Und die anderen sollen ruhig wissen, was du für einer bist.”
„Ein Alchimist!”, kicherte Kralle, neuen Mut schöpfend.
„Sag mal, stimmt das denn wirklich?”, fragte Susi. Niemals hätte sie zugegeben, dass sie Pet mochte, wirklich niemals - obwohl es trotzdem jeder wusste. Was will er eigentlich von dieser Göre?, dachte sie häufig. Jule ist erst Dreizehn und eine Klasse unter uns - und das im wahrsten Sinne des Wortes!
Aber Susi tat immer ausgesucht freundlich gegenüber Jule.
Diese nahm es gelassen hin.
Pet wandte sich an Susi. „Es stimmt nicht direkt.”
„Wie, nicht direkt?”, funkte Jule dazwischen. „Du beschäftigst dich mit Alchimie anstatt mit mir. Von der Schule ganz zu schweigen. Jetzt bitte keine Ausflüchte.”
„Ich will damit sagen, dass ich mich nicht direkt mit Alchimie beschäftige, sondern lediglich mit deren Geschichte.”
„Geschichte?”, rief Ferdie. „Aha, dann erzähle uns die doch mal!”
„Nein, keine Geschichte, die man erzählt, sondern eben... Geschichte, Historie...”
„Ach so!” Ferdie war sichtlich enttäuscht.
Der Jüngste in ihrer kleinen Clique, Bennie, einen Monat jünger als Jule und in deren Klasse, meldete sich zu Wort: „Könnte interessant sein, die Geschichte der Alchimie. Schließlich ist sie die Vorläuferin der modernen Chemie. Und wo wären wir ohne die heute?”
„Wahrscheinlich in gesünderer Luft!” Susi winkte ab. „Und jetzt bitte keinen Vortrag, Bennie. Ich habe keinen Bock darauf. Siehst du nicht, dass wir hier echte Probleme wälzen?”
„Probleme? Wir?” Bennie schaute anzüglich von Pet zu Jule und von Jule zu Susi. „Wir?”, wiederholte er.
Susi lief rot an, ohne es verhindern zu können. Das ärgerte sie maßlos. Deshalb hielt sie lieber den Mund.
Pet war froh, dass wenigstens einer das Thema ernst zu nehmen schien. „Weißt du, Bennie, ich bin zufällig darauf gestoßen. Mein Vater hat alte Sachen auf dem Speicher, auch Bücher.”
„Und darin geht es um Alchimie?”
„Ja, genau. Hast du eine Vorstellung, wie selten diese Bücher heutzutage sind?”
„Und da schmeißt die dein Alter einfach so auf den Speicher?”
„Na, er hat schon dafür gesorgt, dass nichts dran kommt. Die sind tadellos in Schuss.”
„Cool!”, meinte Ferdie.
„Nein, total uncool!”, belehrte ihn Jule. „Wollen wir jetzt stundenlang über Alchimie labern? Ich denke, wenn das so ist, ziehe ich mich zurück. Hat noch jemand Lust, dem trauten Laber-Paar hier den Rücken zu kehren?”
„Ich!”, meldete sich Kralle begeistert.
„War doch klar!”, sagte Susi abfällig und dann: „Geht schon mal vor. Ich komme nach.”
„Allein oder mit Pet?” Diese Bemerkung konnte sich Ferdie nun doch nicht verkneifen - und er bewies damit, dass er nicht ganz so unbedarft war wie es manchmal den Anschein hatte. „Vergiss es einfach.”
Pet hob beschwörend beide Hände: „Nun hört endlich auf damit, Leute. Ich habe mich jetzt ein paar Tage mit Alchimie beschäftigt, gut, zugegeben. War nicht gerade fair gegenüber Jule. Ich habe sie sogar zweimal versetzt und war nicht erreichbar und es...”
„Endlich gibt er es zu!”, seufzte Jule.
Pet fuhr fort: „...sind sowieso in ein paar Tagen Ferien. Die letzte Arbeit haben wir geschrieben. Viel zu lernen gibt es nicht mehr...”
„...und da beschäftigt sich der junge Herr halt mal lieber mit Alchimie, also mit blankem Unsinn!”, fiel ihm Jule ins Wort.
„Alchimie, ja, aber nicht blanker Unsinn!” Pet sagte das in einer Art und Weise, die jeden aufhorchen ließ. Sogar Susi schaute ihn ganz erschrocken an. So ernsthaft hatte man Pet ja noch nie gesehen! Er war ja regelrecht aufgebracht. Normalerweise war er der Junge mit dem sonnigen Gemüt. Er hatte auch dann noch einen lockeren Spruch auf den Lippen,
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