Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
Kaugummiblase platzen und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Das bedeutet, wir haben mindestens achtzig potenzielle Verdächtige.«
»Das sind doch keine schlechten Nachrichten«, gab King zurück. »Es bedeutet, dass wir etwas haben, womit wir anfangen können. Ich wünschte, das wäre immer so.«
»Ms. Sinclair sagt, die Gästeliste liegt in der obersten Schreibtischschublade.«
»Wie heißt der Maler, der hier ausgestellt wird?«
Sie runzelte die Stirn. »Hab ich vergessen zu fragen.« Sie errötete, als King sie ungläubig anstarrte. »Dann hole ich das jetzt wohl am besten mal nach.«
»Und sagen Sie ihr, dass sie aufs Revier kommen soll, um eine schriftliche Aussage zu machen.« Tyler King blickte seiner Kollegin hinterher. Verfluchte Grünschnäbel.
Dann konzentrierte er sich wieder auf den Tatort und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis dieser Teufel hier ihm etwas Brauchbares sagte.
4
Wallace Realty lag nur fünfzehn Minuten von Vanessas Haus entfernt. Die Nähe war einer der Gründe, warum sie sich bei dieser Immobilienfirma beworben hatte. Der andere Grund war, dass man bei Wallace Realty auch in Zeiten internetbasierten Immobilienhandels noch Wert auf persönlichen Kontakt und ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Makler und Kunde legte.
Insgesamt arbeiteten acht Makler bei Wallace, wobei es selten vorkam, dass alle gleichzeitig im Haus waren. An diesem Vormittag hatte Dave Wallace jedoch für zehn Uhr eine Mitarbeiterbesprechung angesetzt.
Vanessa traf um kurz nach halb zehn ein. Um diese Zeit war außer Alicia Richards, der Empfangssekretärin, noch niemand da.
»Wie ist es gestern Abend gelaufen?«, fragte sie.
Vanessa wusste, dass Alicia sich nichts mehr wünschte, als dass die Verkaufsausstellung ein totaler Flop gewesen wäre. Sie gehörte nämlich zu der Art Frauen, die das Unglück anderer in Euphorie versetzte. Wenn aber jemand den Jackpot in der Lotterie knackte, war sie tagelang biestig.
»Gut«, antwortete Vanessa, der nicht entgangen war, dass man Alicia heute am besten mit Samthandschuhen anfasste. Die Lippen der attraktiven Blondine waren zu einem Schmollmund verzogen und die Lider grau geschminkt.
Vanessa war irgendwann aufgefallen, dass man Alicias Stimmung an der Farbe ihres Lidschattens ablesen konnte. Wenn sie Blau trug, hatte sie für gewöhnlich gute Laune. Das Gleiche galt für Grün und Lavendel. Grau hingegen verhieß nichts Gutes.
Vanessa zog ihren Mantel aus. »Ich dachte, Sie wollten auch kommen.«
Alicias Nasenflügel blähten sich. »Manche Menschen können sich nicht einfach einen ganzen Abend freinehmen, nur um sich ein paar Bilder anzugucken.«
Vanessa schluckte. Alicia war offenbar in Hochform. Und wie so oft, schien es ihr besonderes Vergnügen zu be reiten, ihre schlechte Laune an Vanessa auszulassen.
»Wahrscheinlich haben Sie sämtliche Bilder verkauft und einen Haufen Geld verdient«, giftete sie weiter.
»Ich weiß noch gar nicht, was verkauft wurde und was nicht. Andre wollte mich heute früh anrufen, aber bisher hat er sich nicht gemeldet.« Vanessa hängte ihren Mantel an die Garderobe neben der Tür und setzte sich an den Schreibtisch, den sie sich mit einem männlichen Kollegen teilte.
»Und, ist es Ihnen inzwischen gelungen, dem Ehepaar Worth ein Haus zu verkaufen?«, fragte Alicia mit einem süffisanten Lächeln.
»Wir sehen uns heute Nachmittag ein paar weitere Objekte an. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie das Richtige finden.« Vanessa schaltete den Computer ein, um vor der Teamsitzung schnell die aktuellen Angebote durchzusehen und ihren Terminkalender auf den neuesten Stand zu bringen.
Nicht nur Jims Familie war ihr nach dessen Tod eine große Hilfe gewesen, auch ihre Kollegen hatten sie nach Kräften unterstützt. Es war Dave Wallace, der Inhaber der Firma, der sie ermuntert hatte, ihre Maklerlizenz zu erwerben und den Job als Empfangssekretärin aufzugeben.
Die Kollegen hatten Vanessa nicht nur menschlich, sondern auch fachlich unterstützt, hatten sie an ihrem Wissen und ihrer Erfahrung teilhaben lassen, hatten ihr verraten, wovon es abhängen konnte, ob ein Abschluss zustande kam oder nicht.
Vanessa blickte zu Alicia hinüber, die am Computer saß und mit ihren manikürten Fingernägeln auf die Tastatur einhämmerte. Sie war die Einzige in der Firma, deren Mitgefühl und Zuwendung unecht gewirkt hatten. Zwar hatte sie durchaus die passenden Worte, die richtigen Gesten gefunden, aber es steckte kein echtes
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