Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
Gefühl dahinter.
Wenn Alicia von ihrer Familie erzählte, von den Männern, mit denen sie ausging, und den Dingen, die sie unternahm, hatte Vanessa immer den Eindruck, dass nicht ein schlagendes Herz Alicias Motor war, sondern dass es ihre permanente Unzufriedenheit und ihr Konkurrenzdenken waren.
Alicia war eine attraktive Frau mit blonden Locken und blauen Augen, doch ihr anziehendes Äußeres wurde oft durch die Härte in ihrem Blick beeinträchtigt und die Andeutung eines höhnischen Lächelns, das jederzeit die Oberhand gewinnen konnte.
Binnen weniger Minuten trudelten die anderen Makler ein, und das Büro füllte sich mit Gelächter und dem freundschaftlichen Austausch von Menschen, die ein gemeinsames Interesse verbindet.
Die Teamsitzung fand in einem großen Raum am Ende der Büroetage statt und dauerte fast eine Stunde. Dave Wallace sprach voller Leidenschaft über den boomenden Immobilienmarkt und ermunterte jeden einzelnen seiner Mitarbeiter, sich neue persönliche Verkaufsziele zu setzen. Immer mehr Menschen zögen in die Region von Kansas City, und so hätte jeder die Möglichkeit, ein Einkommen zu erzielen, von dem er als Makler bisher nur geträumt hätte.
Vanessa wusste, dass sie in diesem Beruf nie reich werden würde. Sie war nicht ehrgeizig genug und lehnte es ab, rund um die Uhr zu arbeiten. Die Abende gehörten, soweit es ging, ihrem Sohn Johnny und wenn irgendmöglich auch die Samstage und Sonntage. Solange sie genug für ihren Lebensunterhalt verdiente, etwas sparen und sich ab und zu einen Kino-oder Restaurantbesuch leisten konnte, war sie zufrieden.
»Er hätte Motivationstrainer werden sollen statt Immobilienmakler«, flüsterte Buzz Braxton ihr zu. »Er könnte einen Hund zum Fliegen bringen.«
Vanessa grinste und konzentrierte sich dann wieder auf den Vortrag von Dave Wallace. Buzz war ein netter Mann, fand sie, auch wenn seine Frau ihn kürzlich verlassen hatte, und Vanessa konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er auf ein Date mit ihr hinarbeitete. Doch so sympathisch er auch war, sie hatte kein Interesse.
Zwischen ihr und Buzz gab es kein Knistern. Wenn sie, Vanessa, sich irgendwann auf eine neue Beziehung einlassen sollte, müsste Magie im Spiel sein.
Mit Jim hatte sie diese Magie erlebt. Als sie ihn das erste Mal sah, schlug ihr Herz höher, und sie hatte Schmetterlinge im Bauch. In dem Moment wusste sie, dass er der Mann war, den sie heiraten und mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte.
Unglücklicherweise hatte der Zauber nur ein paar Ehemonate überdauert. Als Vanessa schwanger wurde, begann sie die Sprünge in der Persönlichkeit des Mannes zu bemerken, den sie liebte, emotionale Sprünge, die immer größer wurden und jeglichen Zauber verschlangen.
Als die Teamsitzung beendet war, standen alle noch eine Weile bei Donuts und Kaffee zusammen, spendiert von Dave Wallace.
»Tut mir leid, dass ich es gestern Abend nicht geschafft habe«, sagte Helen Burkshire zu Vanessa, biss herzhaft in einen mit Nüssen bestreuten Donut und krümelte ihren schwarzen Pullover voll. »Wie ist es denn gelaufen?«
»Gut.« Vanessa nahm sich einen glasierten Donut von der Platte und beugte sich zu ihrer Freundin vor. »Andre hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Es war ein Riesenerfolg, sehr zu Alicias Missfallen.«
Helen klopfte sich die Krümel vom Pullover. »Alicia ist ein Biest. Die arbeitet hier doch nur so lange, bis ein gutaussehender Millionär zur Tür hereinkommt, sie auf sein Pferd hebt und mit ihr davongaloppiert.«
Vanessa grinste. »Das könnte schwierig werden, wenn man bedenkt, wie ungern sie sich auf den Arm nehmen lässt.«
Helen lachte. »Wie geht’s denn deinem hübschen Jungen? War es okay für ihn gestern Abend?«
»Dem geht’s prima, und die Vernissage hat ihm anscheinend sogar Spaß gemacht.« Vanessa biss in ihren Donut und kaute nachdenklich. »Manchmal mache ich mir Sorgen um ihn. Er wirkt so ausgeglichen, dass ich fürchte, unter der Oberfläche könnte sich noch irgendetwas verbergen, das mir entgeht.«
Helen berührte Vanessas Arm. »Nun hör aber auf. So darfst du nicht denken. Du siehst Probleme, wo keine sind. Die schlimmen Zeiten liegen hinter dir.«
»Du hast ja recht«, antwortete Vanessa und versuchte, die diffuse Angst zu ignorieren, die sie seit der Rückkehr des Alptraums begleitete.
Sie steckte den letzten Bissen Donut in den Mund und plauderte dann noch eine Weile mit ihren Kollegen, bevor sie in das Großraumbüro
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