Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
Stuhl an dem kleinen Frühstückstisch.
„Kannst du das denn so ohne Weiteres?“
„Wir können zurzeit sowieso nichts tun. Maren ist nochmal zu der Vorbesitzerin der Wohnung aus der Langenfeldstraße, Frau Van Dresen, gefahren.“
Er wunderte sich über seine innere Ruhe.
„Ich denke, wir müssen reden.“, fuhr er fort, während er die Kaffeemaschine einschaltete.
Er drehte sich zu Ina um, lehnte sich an die Arbeitsplatte und schaute sie abwartend an. Sie griff seine Zigaretten, die vor ihr lagen und zündete sich eine an. Das kam äußerst selten bei Ina vor. Wenn sie rauchte, hieß das in der Regel, dass sie äußerst nervös und angespannt, aber willens war, sich zu konzentrieren.
„Als du gestern Abend gegangen warst, war ich sicher, dass es mit uns aus ist!“
Sie ließ ihn bei diesen Worten nicht aus den Augen. Frank wartete weiter ab.
„Anja war bei mir und hat dann hier geschlafen.“
„Das habe ich mir gedacht.“
Die Kaffeemaschine hatte ihre letzten Seufzer von sich gegeben. Er drehte sich um, füllte zwei Tassen und setzte sich zu Ina an den Tisch. Auch er steckte sich eine Zigarette an.
„Ich wollte und konnte einfach nicht alleine sein.“
„Klar.“
„Anja hat mir ganz schön den Kopf gewaschen!“, gab sie schließlich zu. Nach einer Weile des Schweigens wurde sie ungeduldig.
„Mein Gott, sag doch auch mal was! Du sitzt da und hörst dir an, wie ich zu Kreuze krieche. Was ist los?“
„Ich habe gedacht, jetzt käme noch was. Du wolltest mir erzählen, wie Anja dir den Kopf gewaschen hat.“
Wieder wunderte er sich über seinen sachlichen Ton und die Ruhe, die in ihm war.
„Ich habe Anja erst recht spät angerufen. Als sie dann kam – das war so gegen elf – war ich schon ziemlich betrunken. Ich hatte nämlich die Flasche Wein alleine leer gemacht. Als ich ihr dann erzählt habe, was passiert war, …“
„Was
war denn
passiert?“, unterbrach er sie.
„Ich habe mich von dir völlig unverstanden gefühlt!“
„Ich
habe
dich auch nicht verstanden! Ich weiß immer noch nicht, was du eigentlich gestern hattest.“
Ina seufzte.
„Also gut. Ich habe, als ich wieder einigermaßen klar war, bis heute Morgen gegen vier, mit Anja darüber geredet und ich sage dir mal, wie ich das mittlerweile sehe.“
Frank nickte auffordernd und Ina fuhr fort.
„Zwei Sachen habe ich gestern erlebt, die mich sehr geärgert haben. Erstens war da dieses Gespräch mit diesem Kirchhoff in der Schule. Er hatte mich – vielmehr das Jugendamt – auf eine Schülerin aufmerksam machen wollen, um die er sich Sorgen macht. Du hattest Recht. Wir sollten eigentlich froh darüber sein, dass es solche Lehrer gibt, unabhängig davon, ob das jetzt wirklich in diesem Fall notwendig war oder nicht. Ich habe das erstmal abgeblockt, wahrscheinlich auch auf die falsche Art, aber dann ist er sehr persönlich geworden und hat mich in einen Sack gesteckt mit seinen Kolleginnen und Kollegen, die resigniert haben und sich nicht um ihre Schülerinnen und Schüler kümmern.“
Frank hob leicht die Hand zum Zeichen, dass er etwas sagen wollte.
„
Das
hat dich so sauer gemacht, dass du das bis zum Abend in dich rein gefressen hast und dann explodiert bist?“
Ina schüttelte den Kopf.
„Nein, so einfach ist das nicht! Als ich aus der Schule zurück ins Amt kam, wartete dort eine Mutter, die am Freitag noch mit mir zusammen gesessen und ‚Hilfe zur Erziehung’ beantragt hatte. Was das heißt, weißt du?“, erkundigte sie sich.
„Ja“, sagte Frank.
Ina hatte ihm vor gut anderthalb Jahren erklärt, was das bedeutete. Früher wurden Kinder, deren Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert waren, in „Heime“ gesteckt, die im Volksmund berüchtigten „Erziehungsheime“. Heute werden diese Kinder auf Antrag der Eltern – was oft sehr schwierig ist – in betreuten Wohngruppen untergebracht, entweder dauerhaft für einen längeren Zeitraum, oder die Woche über, so dass sie das Wochende zu Hause verbringen können. Auch wenn die Kinder in diesen „Wohngruppen“ untergebracht sind, können die Erziehungsberechtigten jederzeit ihre Zustimmung widerrufen und das Kind kommt wieder nach Hause.
Da Frank zugestimmt hatte, sprach Ina weiter.
„Ich habe dir letztens nachts von diesem Mädchen, um das es geht, erzählt. Sie ist zwölf Jahre alt und wird seit etwa einem Jahr von ihrem Vater angefasst. Sie hat uns das glaubwürdig erzählt.“
„Du meinst das Mädchen, vor deren Bett sich der Vater
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