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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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feuchte Duft von Wasserlilien, doch Telarion verströmte den trockenen, rauchigen Duft von verbranntemYondarharz. Der Geruch war so stark, dass er Sinans Atemwege reizte.
    Und auch, wenn das Haar Telarion Norandars genauso rabenschwarz und dicht war wie das seines Bruders – ohne andersfarbige oder von der Sonne gebleichte Strähnen, wie es bei Menschen so oft der Fall war –, fielen ihm die Haare nicht lang und offen über den Rücken. Telarions Haar war kurz geschnitten, als habe ein Barbier es größerer Mühe nicht für wert befunden, und stand vom Kopf ab, als sei es erst vor wenigen Sekunden durchwühlt worden. Nur wenige dünne Haarsträhnen waren mit silbernen, grünen und goldenen Fäden umwickelt und fielen über das linke Ohr bis auf Höhe seines Kinns.
    Sinan empfand ehrliches Staunen. Er hatte noch nie einen Elben oder einen Menschen mit so kurzen Haaren gesehen und fragte sich, wieso ausgerechnet ein so hochrangiger Herr der Elben sich so verstümmelte.
    Doch der Heerführer ließ ihm keine Zeit, darüber nachzudenken.
    »Mir ist gleichgültig, welche Gefühle du für mich hegst, Schmied«, brach Telarion Norandar das Schweigen. »Glaube mir, sie können nicht hasserfüllter sein als die, die ich für deinesgleichen empfinde. Doch mir ist im Gegensatz zu den Kindern des Dunklen Mondes das Leben heilig, also hast du im Augenblick nichts zu fürchten. Githalad sagte, du könntest mein Schwert neu schmieden.«
    »Sodass Ihr es wieder gegen meinesgleichen erheben könnt?«, brach es aus Sinan hervor.
    Noch vor seinem nächsten Atemzug spürte er, dass sich eine Hand wie eine Eisenklammer um seine Kehle legte und zudrückte. Gleichzeitig wurde er mühelos angehoben, sodass nur noch seine Zehenspitzen den Boden berührten. Sinan war kein leichter Mann, aber der Bruder des Königs atmete nicht einmal schneller.
    »Du hast recht, mit meinem Schwert habe ich vielen von deinesgleichen das Leben genommen«, sagte der Heerführer mit ruhiger Stimme, die in seltsamem Gegensatz zu der Rücksichtslosigkeit stand, mit der er Sinan die Luft abdrückte. »Und ich kann mich an keinen erinnern, der es nicht verdient hatte, in den Tod geschickt zu werden. Bei dir wäre es nicht anders, wenn meine Soldaten dich nicht bräuchten. Denn ich höre, du bist aufsässig und ungehorsam.«
    Wut kochte in Sinan hoch, so heiß, dass die Finger des Heerführers zurückzuckten. Dann ließ er los. Hustend rieb Sinan sich den Kiefer unter dem Ohr, wo sich der Daumen des Heermeisters so gnadenlos in sein Fleisch gegraben hatte.
    Gerne hätte er geglaubt, dass es die plötzlich aufwallende Hitze gewesen war, die Telarion Norandar in die Schranken gewiesen hatte. Doch dann sah er, dass der Hauptmann neben den Heerführer getreten war und ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte. Ebenso fiel ihm auf, dass Telarion Norandar sich die Hand, mit der er Sinan gepackt hatte, an der Hose aus dunklem Wildleder abwischte, als sei sie besudelt. Schweigend brachte Gomaran seinem Herrn ein Tuch und eine Schüssel mit Wasser.
    »Es war ein Seelenherr und Fürst der Menschen, der meinen Vater Dajaram qualvoll sterben ließ«, erklärte der Heerführer, während er sich die Hände wusch. »Ihr Menschen vergöttert den Tod. Ihr schätzt das Leben gering und nennt euch Herren über die Jenseitigen Ebenen. Warum sollte ich es bedauern, einen von euch dorthin zu befördern?«
    Er schien darauf keine Antwort zu wollen, sondern trat wieder an den provisorischen Tisch, auf dem sein daikon lag. Er nahm es, zog die Klinge aus der Scheide – Sinan erkannte, dass sie aus dem schwarzen Holz des Yondarbaums gemacht und mit goldgrünem Brokat überzogen war – und reichte sie Sinan mit dem Heft voran.
    »Sieh dir diese Klinge an. Wenn du sie neu schmieden kannst, bin ich dir zu Dank verpflichtet, denn sie bedeutet mir viel.«
    Langsam, als fürchte er, es könne zubeißen, griff Sinan nachdem Heft des daikon s, das der Heerführer ihm hinhielt und auf dessen polierter Klinge sich die goldenen Lampen spiegelten.
    Kaum hatten sich seine Finger um die überaus fein gewebten Stoffbänder gelegt, mit denen das Heft umwickelt war, vergaß Sinan, wessen Schwert es war und welche Verbrechen damit begangen worden waren.
    Seit seiner Zeit im Kloster des Westens hatte er keine so edle Waffe mehr in Händen gehalten. Schlanker, schimmernder Stahl, eine gute Elle lang und leicht gebogen, Stahl, der aus sich selbst heraus zu leuchten schien, das Heft aus dem harten, dunklen Holz

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