Dunkle Burg
Ausschau nach seltsamen Vorkommnissen – braven, gut erzogenen Pferden, die grundlos scheuten oder ausschlugen, Hunden, die nicht bellten, gesicherten Türen, die sich öffneten, ohne gewaltsam aufgebrochen zu sein, seltsamen, fremdartigen Tieren – wo immer sie in Verbindung mit einem Raub oder Diebstahl standen und ihm dienten. Du sorgtest für solche Vorkommnisse.«
Während seiner Aufzählung war ich immer zorniger geworden. Wütend auf ihn und wohl auch auf mich selbst. Es ist schlimm genug, ein Dummkopf genannt zu werden, aber noch schlimmer, sich als einer zu erweisen. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. »Hah, Sie haben Ihre ganze Armee gebraucht, um mich zu fangen, nicht wahr? Wie viele Soldaten waren nötig, um ein Mädchen zu erwischen? Und viele von ihnen nahmen am Ende Reißaus vor mir. Und da sind Sie noch stolz auf sich, wie?«
Er schaute mich an und schüttelte milde und bekümmert den Kopf. »Ach, das geschah, weil du etwas wirklich Außergewöhnliches tatest. Du erwecktest die Toten. Nekromantie.«
»Nekro – was?«
»Nekromantie. Die Toten wiedererwecken.« Er zog die Brauen in die Höhe. »Die schlimmste Form von Schwarzer Magie.«
Ich wusste, was das Dunkel war. Armeen von Ungeheuern und wandelnden Toten, angeführt von einem Meister der Schwarzen Magie in einem schwarzen Gewand, der sich in seiner Bosheit vor Lachen schüttelte. Das war ich nicht… oder?
Er nickte. »Schwarze Magie. Ja, wahrhaftig. Nekromantie. Weißt du, welche Strafe auf Nekromantie steht?«
Ich gab mich trotzig. »Sie können mich nur einmal hängen.«
»Hängen? Ach du lieber Himmel, nein. Nichts dergleichen. Zauberer, Schwarzkünstler und Geisterbeschwörer werden nicht gehängt. Sie werden lebendig verbrannt. Das Gesetz schreibt eine kleine Flamme vor, so dass du langsam verkohlst. Es kann überraschend lange dauern.« Er starrte mir ins Gesicht, und seine ausdruckslosen Augen sagten, dass sie es selbst gesehen hätten, und dass es wirklich überraschend lange gedauert hatte.
»Sie sagten, sie würden mir nicht weh tun«, flüsterte ich, während mein Magen sich verkrampfte und kalte Übelkeit in mir aufstieg. Es war nutzlos, das zu sagen, das war mir klar, aber ich musste trachten, dass er weiter redete.
»Ich werde dir nicht weh tun«, sagte er wieder. »Das wäre allenfalls Sache der Justiz. Seine Hoheit hat eine festgelegte Einstellung zur Nekromantie. Das Volk hasst sie, und er auch. Zweifellos würde deine Hinrichtung eine große Volksmenge anziehen.«
Er sagte ›würde‹, nicht ›wird‹. Ich versuchte meine Lippen mit trockener Zunge zu befeuchten. »Aber sie werden mich nicht verbrennen.« Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme bebte.
Er schloss langsam die Augen und öffnete sie wieder. »Das hängt von dir ab.«
Er hatte auch gesagt, dass das Volk Nekromantie hasse, bevor er gesagt hatte, dass der Fürst es tue. Vielleicht hasste der Prinz sie, weil das Volk es tat. Allmählich bekam ich eine Vorstellung, wovon mein Leben wirklich abhinge. Aber ich fragte ihn trotzdem. Es ist immer gut, geradeheraus nach dem Preis zu fragen. Manchmal ist er niedriger, als man denkt.
»Warum hängt es von mir ab?«
»Du könntest Reue und Zerknirschung zeigen. Du könntest das tun, indem du dein Talent in den Dienst Seiner Hoheit stellst und ihm, seinen Erben und Nachfolgern getreulich dienst, solange du lebst. Dafür wirst du gut belohnt. Oder du magst entscheiden, ihm nicht zu dienen oder falsch zu dienen. In diesem Fall wirst du am folgenden Morgen auf dem Tempelplatz verbrannt. Und wahrscheinlich noch bis in den Nachmittag hinein.«
Diese letzte Bemerkung war, wie ich glaube, Vinker Teskas Vorstellung von einem Scherz. Jedenfalls lächelte er, das heißt, sein Mund dehnte sich. Dann fuhr er fort: »Die Wahl liegt bei dir.«
»Das ist vielleicht eine Wahl!«, sagte ich, weil man immer feilschen muss. Aber er zuckte bloß die Achseln. »Es ist die Wahl, vor der du stehst. Und wenn du denkst, dass dir erlaubt würde, die Dienstverpflichtung einzugehen und dann zu brechen, solltest du es dir noch mal überlegen. Du wirst belohnt, dein Leben bereichert, du wirst in sicheren und sogar luxuriösen Verhältnissen leben, die weit über das hinausgehen, was du jemals auf der Straße erreichen könntest. Aber man wird dir niemals vertrauen; zu jeder Zeit werden Soldaten um dich sein. Und solltest du trotz alledem Verrat üben, indem du lügst oder uns zu betrügen versuchst, wirst du auf dem
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