Dunkle Ernte
Museum auf sich.
»Mr. Hartman?«, fragte der Fahrer und ließ die Fensterscheibe herunterfahren. Jack lugte ins Innere. Gustav saß am Steuer und fühlte sich in seiner Chauffeuruniform sichtlich unwohl.
» Bonsoir , Gustav«, sagte Jack. »Wie geht’s?«
»Gut«, murmelte Gustav. »Sie sehen beschissen aus.«
»Recht schönen Dank. Sie verstehen sich einfach auf Umgangsformen.« Jack zog für Amanda die Tür auf. Der Lärm der Pariser Straßen war mit einem Schlag ausgeblendet, als sie sich in der Abgeschiedenheit des feudalen Fonds niederließen, inmitten von sündteuren handbestickten Lederpolstern und polierten Holzoberflächen. Sogar der dicke, weiche Teppich zu ihren Füßen fühlte sich irgendwie beruhigend an.
»Du hast offenbar einflussreiche Freunde«, bemerkte Amanda und öffnete die Bar, in der zwei Flaschen Veuve Cliquot La Grande Dame standen.
Jack zuckte die Achseln und lächelte verkniffen. Er hoffte, dass er das Richtige tat. Wie weit konnte man Monsieur Blanc wirklich trauen?
Der Rolls-Royce schoss durch die Pariser Straßen und hupte Mopeds und Kleinwagen aus dem Weg. Im exklusiven siebten Arrondissement bogen sie in einen kleinen Hof ein. Die Bewohner dieses Viertels lebten in Villen, nicht in Wohnungen, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie es in der Pariser Gesellschaft ganz nach oben geschafft hatten.
Das elektrische Tor schloss sich sofort wieder hinter dem Rolls-Royce. Gustav stieg aus und führte sie zu einer massiven doppelflügeligen Holztür mit Bronzeverzierungen aus dem achtzehnten Jahrhundert. Er tippte einen Sicherheitscode in ein Tastenfeld ein und wartete, bis die Tür geräuschlos nach innen aufschwang.
»Nach Ihnen«, sagte er, und sein harter slawischer Akzent verlieh den Worten eine sarkastische Note, die nicht unbedingt beabsichtigt sein musste.
Jack und Amanda betraten den mit Marmor ausgekleideten Flur. Eine geschwungene Steintreppe führte nach oben.
Im achtzehnten Jahrhundert waren die Palais so gebaut worden, dass auf der ersten und zweiten Etage gewohnt wurde, während Wirtschaftsräume und Küche auf Erdgeschoss und Keller verteilt waren. Monsieur Blanc pflegte offenbar diese Tradition, denn er erschien in einem kunstvoll bestickten Hausmantel über dunkler Kaschmirhose oben an der Treppe.
»Jack! Ich freue mich sehr, Sie zu sehen. Sie haben eine Freundin mitgebracht?« Er warf einen prüfenden Blick auf Amanda, und sein rundes Gesicht verbarg nicht sein Wohlwollen.
Amanda sah Jack an. Ihre Miene wirkte gefasst, doch ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Er nahm sie bei der Hand und führte sie die Treppe hoch, hinter Monsieur Blanc her, durch einen Spiegelsaal mit üppigen Rokokoverzierungen in einen Salon, der auf den Hof hinausblickte. Eine junge Schwarze saß in einem Sessel und las in einem Buch, eine große Frau mittleren Alters stand mit strengem Blick hinter ihr und sah ihr über die Schulter.
»Erinnern Sie sich an Florence, Jack? Von ihrem Dorf war leider nicht mehr viel übrig, somit auch von ihrer Familie, also hielt ich es für das Beste, sie mit nach Paris zu nehmen.«
Die junge Frau blickte voller Ernst von ihrer Lektüre auf und nickte Jack zu.
»Ich habe sie bereits im Lycée Henri IV angemeldet«, fuhr der Chinese fort. »Sie hat zwar bislang keinerlei Bildung genossen, aber ihre Tutoren sagen, sie sei außergewöhnlich intelligent.«
»Hallo«, sagte Jack aufgeräumt zu Florence, die ihn plötzlich anstrahlte und sich mit einem Schlag wieder in ein fröhliches junges Mädchen verwandelte. Ihr neues Leben schien ihr gutzutun. Jack wandte sich Monsieur Blanc zu.
»Monsieur Blanc, ich möchte Ihnen Amanda Marshall vorstellen … Dr. Amanda Marshall«, sagte er und korrigierte sich mit einem gewissen Stolz in der Stimme.
Amanda sah immer noch irritiert aus. Was war das für ein Waffenhändler, der afrikanische Waisen adoptierte, um sie zur Schule zu schicken?
Monsieur Blanc nickte. »Gehen wir doch in mein Arbeitszimmer. Mir ist es lieber, wenn wir geschäftliche Dinge dort besprechen. Gustav, sorgen Sie bitte dafür, dass wir aus der Küche ein paar Erfrischungen bekommen.«
83
Monsieur Blanc thronte aufrecht in einem Ohrensessel hinter seinem Philippe-Starck-Schreibtisch, die Hände nachdenklich unter das Kinn gestützt, einen Dessertwagen mit Kuchen in Reichweite. Das Arbeitszimmer war ein wilder Mix aus ultramodernem Design und traditionellem Stil. Die bunten, geradlinigen Möbel kontrastierten mit
Weitere Kostenlose Bücher